Der Glaube an einen
Schöpfer und die naturwissenschaftliche Betrachtung von Evolution sind vereinbar.
Das haben Kardinal Christoph Schönborn und der an der US-Universität Harvard lehrende
österreichische Mathematiker und Biologe Martin A. Nowak unterstrichen. „Meiner Ansicht
nach macht eine ehrlich interpretierte Wissenschaft kein Argument gegen eine wohlformulierte
christliche Theologie, sondern das kann man durchaus Seite an Seite beibehalten",
sagte Nowak bei einem Gespräch mit dem Wiener Erzbischof im Rahmen der Reihe „Alpbach
Talks“ am Mittwochabend in Wien.
Nowak, der einer der herausragenden Experte
im Bereich Evolution und Spieltheorie ist, verwies auf den vor allem in den USA stark
schwelenden Konflikt zwischen Evolutionsbiologen und christlich glaubenden Menschen.
Es sei „bedauerlich“, dass den Menschen dabei stets eine Entscheidung zwischen Evolution
und Christentum abverlangt werde. Er sehe hier keinen Widerspruch. Der Glaube an einen
Schöpfer, der die Welt mit gewissen Naturgesetzen ausgestattet hat, mache für ihn
persönlich „total Sinn“, sagte der Biomathematiker. „Das Verstehen dieser Naturgesetze
ist kein Argument gegen diesen theologischen Standpunkt.“
Nowak kritisierte
Wissenschaftler, die sich ein konkretes Gottesbild zurechtgelegt hätten, und nun versuchten,
dieses zu widerlegen. Viele Forscher hätten eine falsche Einstellung zum Handeln in
der Wissenschaft. Der Standpunkt „Ich glaube gar nichts und lass mich überzeugen durch
die Daten“ sei unhaltbar, so der Harvard-Professor: „Jeder glaubt irgendwas, damit
muss es beginnen und dann kann man Wissenschaft machen. Der Widerspruch, den die Wissenschaftler
setzen wollen zur Theologie, in dem sie sagen, ich glaube gar nichts, das ist eigentlich
mathematisch, philosophisch unsinnig. Jeder glaubt etwas. Für mich bringt das Wissenschaft
und Religion zusammen.“
Die Frage nach einem Schöpfer sei „keine wissenschaftliche
Frage“, betonte der Biomathematiker. „Als Wissenschaftler kann ich Sachen ausrechnen,
ich kann Sachen messen, und ich kann so tun, als ob es keinen Schöpfer gebe oder ich
kann auch sagen, ich brauche dafür keinen Schöpfer. Aber das ist keine wissenschaftliche
Entscheidung.“ Er selbst sehe in der Existenz Gottes „das grundlegende theologische
Axiom aus dem Anderes folgt, aber dass nicht aus Naturgesetzen heraus bewiesen werden
kann“.
„Kurzatmige Sicht der Schöpfung“
Kardinal Schönborn konnte dem
nur „voll zustimmen“. Wer einen Widerspruch zwischen Schöpfungsglauben und Naturwissenschaft
sehe, habe eine „kurzatmige Sicht der Schöpfung“. Dies warf Schönborn auch dem Begründer
der modernen Evolutionstheorie, Charles Darwin vor. Selbiger hätte eine „schlechte
Theologie“ gehabt: „Darwin hat Theologie studiert, aber es war eine sehr theistische
Theologie, und ich glaube die große Tradition der jüdisch-christlichen Schöpfungslehre
ist absolut nicht unvereinbar mit dem Gedanken der Entwicklung.“
Der Wiener
Erzbischof distanzierte sich deutlich von Fundamentalisten auf beiden Seiten der Debatte.
Die kreationistische „Young-Earth-Theory“ etwa sei „absurd“, so Schönborn. „Die klassische
Theologie würde sagen, das provoziert die 'irrisio infidelium', damit provoziert man
den Spott der Ungläubigen, weil man mit falschen Argumenten kommt.“ Deutlichen Widerspruch
Schönborns erntete aber auch der britische Wissenschaftler und Atheist Richard Dawkins:
„Wenn er glaubt, dass er mit naturwissenschaftlichen Argumenten den Schöpfungsglauben
zerstören kann, dann hat er einen grundlegenden Methodenfehler gemacht, weil mit einer
naturwissenschaftlichen Methode, keine Antwort auf diese Frage wird geben können.
Das ist nicht der Gegenstand um den es geht.“
Kardinal Schönborn, der 2005
mit einem Kommentar in der „New York Times“, in dem er rein atheistische Interpretationen
der Evolutionslehre als Ideologie ablehnte, für Aufsehen gesorgt hatte, distanzierte
sich im Rahmen des Gesprächs auch erneut von Vertretern des „Intelligent Design“.
Er warf ihnen einen Methodenfehler vor, „weil sie etwas von einer naturwissenschaftlichen
Methode erwarten, was sie dort nicht erwarten können“.
Prinzipiell sei „Design“
für ihn jedoch eine „vernünftige Annahme“, so der Kardinal. „Die Wahrnehmung von Design,
auch wenn dies nicht von der Evolutionstheorie begründet werden kann, ist für mich
Evidenz der Vernunft.“ Eine rein naturwissenschaftliche Betrachtungsweise nehme eine
„klare Selektion“ vor, „in dem sie nur Bestimmtes in den Fokus nimmt und Anderes außen
vor lässt“, sagte Schönborn: „Aber damit ist ja noch nicht das Ganze der Wirklichkeit
beschrieben.“
Auf grundlegende Schwierigkeiten mit der Behauptung der „Intelligent
Design“-Vertreter, wonach es Systeme in der Biologie gebe, die so kompliziert seien,
dass sie mit der Evolutionstheorie nicht erklärt werden könnten, wies auch der Biomathematiker
Nowak hin. „Das Problem ist, man versteht die Evolutionstheorie zur Zeit gar nicht
gut genug, um eigentlich so etwas zu finden, das ist unmöglich“, sagte der Wissenschaftler.
Die Evolutionstheorie dürfe nicht überbewertet werden, so Nowak. Evolution sei im
Kern ein Suchprozess, den Wissenschaftler beschreiben. „Man kann auch sagen, die Evolution
entdeckt eine Zelle oder das Gehirn, aber was sind die Naturgesetze, die diese Strukturen
überhaupt ermöglichen. Das weiß man im Moment nicht.“
Kooperative Intelligenz
Martin
Nowak stellte im Rahmen der vom Europäischen Forum Alpbach, der Wiener Zeitung und
der Österreichischen Akademie der Wissenschaften organisierten Veranstaltung unter
dem Titel „Die Evolution und der Egoismus“ sein Modell einer „Kooperativen Intelligenz“
als Erfolgsgeheimnis der Evolution vor. Zentral dabei ist, dass Mutation und Selektion
als die zwei tragenden Säulen der Evolution durch die Kooperation ergänzt werden müssen.
Kooperation sei der „Architekt der Evolution“, erklärte Nowak. Die Menschen beherrschten
dabei als einzige Wesen der Erde die fünf grundlegenden Mechanismen der Kooperation,
zu denen etwa das Prinzip „Wie Du mir, so ich Dir“ genauso zählen wie die „Nachbarschaftshilfe“
oder „Vetternwirtschaft“.
Kardinal Schönborn sprach der Forscher damit nach
eigener Aussage „aus dem Herzen“. Ihn bewege seit langem der Gedanke, dass Natur vielmehr
kooperativ als konfrontativ funktioniere. Schönborn: „Es gibt die Konfrontation und
die Konkurrenz und den 'struggle for life' - selbstverständlich, das ist ein Teil
der Wirklichkeit; aber es ist sicher nicht der größere Teil der Wirklichkeit.“ Die
Evolutionstheorie brauche als Ergänzung „dringend diese kooperative Seite“.