Patriarch Twal: „Franziskus ist kein Chef, der den Chef gibt“
Wir führen Friedensgespräche
seit 66 Jahren, aber wir haben bisher noch nichts erreicht. Das sagt der lateinische
Patriarch von Jerusalem Fouad Twal, den wir um eine Bilanz der Papstreise aus seiner
Sicht gebeten haben. Das Friedensgebet im Vatikan mit den Präsidenten Israels und
Palästinas könne da etwas voranbringen, hofft der Patriarch.
„Gebet ist
sicherlich nichts Neues: Franziskus hat immer um Gebet ersucht, und dasselbe haben
wir getan. Da dieses Treffen nicht in Jerusalem noch in Bethlehem stattfinden konnte,
hat der Heilige Vater sein Haus angeboten: Sein Haus im Vatikan. Wir hoffen! Es ist
eine Initiative, die klar den guten Willen des Papstes zeigt, zu Frieden zu kommen.
Seit 66 Jahren führen wir hier Friedensgespräche, aber wir haben noch nichts erreicht.
Hoffen wir, dass sich mit dieser Initiative etwas bewegt.“
Das Friedensgebet
im Vatikan wird vor Mitte Juli stattfinden; ein präziser Termin dafür steht aber offenbar
noch nicht fest, obwohl die Vatikanzeitung „Osservatore Romano“ unter Berufung auf
die Stabstellen der beiden Präsidenten bereits den 6. Juni genannt hatte.
Die
Reaktionen auf die Papstreise, die Twal auf der israelischen und der palästinensischen
Seite registrierte, seien „alle positiv“, sagte der Patriarch. Einzig die Christen
in Jerusalem seien enttäuscht, dass sie den Papst nicht hätten sehen können.
„Jerusalem
war abgeriegelt. Andererseits war in Jerusalem auch kein großer öffentlicher Akt vorgesehen.
Immerhin, der Papst hat gesagt, er hoffe eines Tages nach Galiläa gehen zu können,
nach Nazareth. Bald findet ja im Vatikan die Bischofssynode zum Thema Familie statt,
und da Nazareth der Ort der Heiligen Familie ist, hoffen und beten wir, dass er aus
diesem Anlass noch einmal kommt.“
Bei der Generalaudienz am Mittwoch hatte
Papst Franziskus ausdrücklich den Bischöfen des Heiligen Landes dafür gedankt, dass
sie seine Pilgerreise ermöglicht hätten; namentlich nannte er Patriarch Twal. Auf
die Frage, was ihn an dieser dreitägigen, sehr intensiven Visite des Papstes besonders
faszinierte, sagte Twal:
„Ich sehe in der Person des Heiligen Vaters selbst
eine Botschaft für uns Religionsführer: eine Botschaft von Einfachheit und Demut.
Er ist kein Chef, der den Chef gibt. Er ist da, dienend. Ich war bei diesem Mittagessen
mit den fünf Palästinenserfamilien dabei, die so viel Schlimmes erlebt haben. Alle
haben ihre Geschichten erzählt. Kurz vor dem Schluss des Essens hat Reisemarschall
Gasbarri den Papst gefragt, ob er sich eine Viertelstunde zurückziehen möchte, um
sich auszuruhen. Da sagte der Papst: ,Diese Leute leiden, ich kann sie nicht alleine
lassen.‘ Und er ist bis zum Schluss da geblieben. Er ist sich darüber im Klaren, wie
schwierig unsere Lage ist.“
Die Christen im Heiligen Land seien natürlich
nicht so naiv zu denken, ab heute gebe es Ergebnisse, weil der Papst hier gewesen
sei, sagte der Patriarch.
„Er hat das Beste von sich selbst gegeben, seiner
Zeit, auch seiner Gesundheit. Er war unheimlich müde. Aber er hat gesät! Gesät. Wir
hoffen so sehr, dass das, was er gesät hat, Früchte trägt, wenn wir der Vorsehung
genug Zeit lassen – sowohl für die Lage der Einheit der Christen als auch für die
politische Lage hier, die der ganzen Welt zu Leibe rückt.“
Unser
Foto zeigt den Papst beim Mittagessen mit palästinensischen Familien am 25. Mai 2014.
Neben Franziskus Patriarch Fouad Twal.