Verehrte Großrabbiner von Israel, es freut mich besonders, heute bei Ihnen sein zu
können: Ich danke Ihnen für den herzlichen Empfang und für die freundlichen Worte,
mit denen Sie mich willkommen geheißen haben.
Wie Sie wissen, habe ich seit
der Zeit, in der ich Erzbischof von Buenos Aires war, auf die Freundschaft vieler
jüdischer Brüder zählen können. Heute sind zwei mit mir befreundete Rabbiner hier.
Gemeinsam mit ihnen haben wir fruchtbare Initiativen der Begegnung und des Dialogs
organisiert, und mit ihnen habe ich auch bedeutsame Momente des Miteinanders auf geistlicher
Ebene erlebt. In den ersten Monaten des Pontifikats habe ich verschiedene Organisationen
und Vertreter der weltweiten jüdischen Gemeinschaft empfangen können. Wie bereits
für meine Vorgänger, sind diese Bitten um eine Begegnung zahlreich. Sie kommen zu
den vielen Initiativen hinzu, die auf nationaler oder lokaler Ebene stattfinden, und
all das beweist den beiderseitigen Wunsch, einander besser kennen zu lernen, anzuhören
und Verbindungen echter Brüderlichkeit aufzubauen.
Dieser Weg der Freundschaft
ist eine der Früchte des Zweiten Vatikanischen Konzils, besonders der Erklärung Nostra
aetate, die von großer Bedeutung war und deren fünfzigsten Jahrestags wir im kommenden
Jahr gedenken. Tatsächlich bin ich überzeugt, dass alles, was in den letzten Jahrzehnten
in den Beziehungen zwischen Juden und Katholiken geschehen ist, ein echtes Geschenk
Gottes war, eines der von ihm vollbrachten Wunder; und wir sind berufen, dafür seinen
Namen zu loben: »Dankt dem Herrn aller Herren, denn seine Huld währt ewig! Der allein
große Wunder tut, denn seine Huld währt ewig« (Ps 136,3-4).
Ein Geschenk Gottes,
das aber nicht hätte offenbar werden können ohne den Einsatz sehr vieler mutiger und
großherziger Menschen, Juden wie Christen. Ich möchte hier besonders die Bedeutung
erwähnen, die der Dialog zwischen dem Großrabbinat von Israel und der Kommission des
Heiligen Stuhls für die religiösen Beziehungen mit dem Judentum angenommen hat. Ein
Dialog, der, angeregt durch den Besuch des heiligen Papstes Johannes Pauls II. im
Heiligen Land, im Jahr 2002 aufgenommen wurde und bereits sein zwölfjähriges Bestehen
begeht. In Bezugnahme auf die Bar Mizwa der jüdischen Tradition gefällt mir der Gedanke,
dass dieser Dialog dem Erwachsenenalter bereits sehr nahe ist: Ich bin zuversichtlich,
dass er weitergehen kann und eine glänzende Zukunft vor sich hat. Es geht nicht
nur darum, auf einer menschlichen Ebene Beziehungen gegenseitiger Achtung zu pflegen:
Als Christen und als Juden sind wir berufen, uns eingehend nach der geistlichen Bedeutung
des Bandes zu fragen, das uns miteinander verknüpft. Es handelt sich um eine Verbindung,
die von oben kommt, die über unseren Willen hinausgeht und die unversehrt bleibt,
trotz aller Beziehungsschwierigkeiten, die es in der Geschichte leider gegeben hat.
Auf
katholischer Seite besteht natürlich die Absicht, den Sinn der jüdischen Wurzeln des
eigenen Glaubens voll in Betracht zu ziehen. Ich vertraue darauf, dass mit Ihrer Hilfe
auch auf jüdischer Seite das Interesse für die Kenntnis des Christentums erhalten
bleibt und wenn möglich zunimmt – speziell bei den jungen Generationen –, gerade in
diesem gesegneten Land, in dem dieser Glaube seinen Ursprung erkennt.
Die gegenseitige
Kenntnis unseres geistlichen Erbes, die Wertschätzung dessen, was wir gemeinsam haben,
und die Achtung dessen, was uns trennt, können den Weg weisen für die zukünftige Weiterentwicklung
unserer Beziehungen, die wir in Gottes Hand legen. Gemeinsam können wir einen wichtigen
Beitrag für die Sache des Friedens leisten; gemeinsam können wir in einer in raschem
Wandel begriffenen Welt die ewige Bedeutung des göttlichen Schöpfungsplans bezeugen;
gemeinsam können wir entschieden jeder Form von Antisemitismus und den verschiedenen
anderen Formen von Diskriminierung entgegentreten. Der Herr helfe uns, mit Zuversicht
und Seelenstärke auf seinen Wegen zu gehen. Shalom!