Die Abschlussmesse
des Papstes in Israel schafft Unruhe, genauer: Der Ort, an dem sie stattfinden soll.
Franziskus will an dem Ort mit den Bischöfen des Heiligen Landes Messe feiern, wo
vor 2000 Jahren Jesus das letzte Abendmahl feierte. Der Abendmahlssaal liegt aber
über einem Raum, in dem seit dem Mittelalter das Grab Davids verehrt wird. Ultraorthodoxe
Juden in Jerusalem haben deswegen am Samstag gegen den Besuch von Papst Franziskus
protestiert. Sicherheitskräfte und Passanten wurden von etwa 100 Männern bespuckt
und mit Essensresten beworfen. Radikale jüdische Gruppen behaupten seit Wochen, der
Saal solle der katholischen Kirche übereignet werden, das würde eine Entweihung des
Grabes und der Synagoge darin bedeuten.
In direkter Nachbarschaft zu diesem
Gebäudekomplex auf dem Zionsberg liegt die deutsche Benediktinerabtei Dormitio. Pater
Nikodemus gehört zur Benediktinergemeinschaft dort.
„Es ist ein kritischer
Ort. Dieser Gebäudekomplex ist eher ein Wirrwarr von Gebäude-Annexen. Das erschließt
sich intuitiv nicht, auch nicht von einer Luftaufnahme aus. Und es sind viele Narrative
damit verbunden. Für die Muslime ist es das Grab Davids, es ist ein ursprünglich christliches
Narrativ, das dann von den Muslimen übernommen wurde. Es war ja auch 400 Jahre lang
in muslimischer Hand und eine muslimische Stiftung. Dann haben 1948 einige jüdische
Gruppen das übernommen und auch noch einmal umgebaut. Man kann sagen, dass das ein
Krimi ist. Zudem ist es meines Wissens nach der einzige Ort auf der Welt, der drei
Religionen heilig ist. Wenn man das Coenacum heute betritt, dann ist das
eine Moschee. Man sieht eine Gebetsnische und eine Predigtkanzel, über dem Saal thront
ein Minarett, das ganze Gebäude ist ineinander verwoben.“
Seit 1948 ist
der Gebäudekomplex ein Museum, um den konkurrierenden Ansprüchen der Religionen aus
dem Weg zu gehen. Gebetet werden durfte, aber keine Gottesdienste wie etwa Messen
gefeiert werden. Seit einigen Jahren lockert sich dieser Status Quo.
„Unten
beim Davidsgrab haben die Juden eine echte Synagoge eingerichtet, mit Thora-Rollen
und dem Gebet von zehn Männern [der Mindestvoraussetzung für einen jüdischen Gottesdienst].
Daraufhin gab es dann die Anfrage von Seiten des Heiligen Stuhles und von Seiten der
Franziskaner, diesen Ort als interreligiösen Ort des Gebetes zu nutzen, und zwar spannenderweise
für alle Konfessionen, nicht nur römisch-katholisch. Genau das fehlt hier im Land,
alles hat einen konfessionellen Stempel, es wäre der einzige Ort, der nicht konfessionell
vereinnahmt wäre.“
Papst Franziskus wird der zweite Papst sein, der dort
eine Messe feiert, Papst Johannes Paul II. war 2000 der erste. Benedikt XVI. war zwar
am Ort, aber ohne dort eine Messe zu feiern.
„Und jetzt kochen die Emotionen
hoch, weil einige extremistische Splittergruppen im Judentum sagen ‚Nein, die Christen
sind Götzenverehrer und wenn Götzenverehrer dort feiern, dann können wir dort nicht
mehr beten. Das bringt im Augenblick sehr viele negative Emotionen. Es ist ein schwieriges
Terrain, besonders weil einige Extremisten gerade besonders nervös und aggressiv werden.“
Damit
ist der Komplex noch einmal so etwas wie Jerusalem im Kleinen, all die religiösen
Probleme und Animositäten, aber auch Möglichkeiten zur Verständigung an einem Ort.