Kreuze raus aus dem
öffentlichen Raum? Mit dieser Forderung hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ein
paar Tage vor den Europawahlen viele Christen erschreckt. Und eine alte Debatte wiederbelebt.
Der deutsche Staatskirchenrechtler Stefan Mückl widerspricht dem deutschen SPD-Politiker
Schulz, der das Amt des EU-Kommissionspräsidenten anstrebt.
„Ich halte die
Einlassung für überaus erstaunlich, weil sie nicht in die Zukunft weist, nicht das
Europa des 21. Jahrhunderts abbildet, sondern zurückweist bis tief ins 19. Jahrhundert.
Europa lebt von der Vielfalt, der Vertrag über die Europäische Union - das ist gewissermaßen
das Grundgesetz der EU - bekennt sich zur „kulturellen Vielfalt“ und zum „Schutz und
zur Entwicklung des kulturellen Erbes Europas“. Was hier nun gefordert wird, ist die
Ausweitung eines sehr spezifischen Modells eines Landes - nämlich Frankreichs - auf
ganz Europa, also die Expansion der Laizität.“
Damit geht das alte Gespenst
der „laicité“ wieder einmal um in Europa. Deutsche denken an die vielen Kruzifix-Auseinandersetzungen,
die hierzulande schon die Gerichte beschäftigt haben. Lohnt sich der Kampf ums Kreuz
im öffentlichen Raum, wo doch das Christentum in Europa immer mehr auf dem Rückzug
ist? Mückl antwortet darauf im Gespräch mit dem Kölner Domradio so:
„Sieht
man sich die tatsächlichen Grundlagen an, dann ist es unbestreitbar, dass Europa christlich
ist. In der Europäischen Union bekennen sich weit über 80 Prozent der Einwohner zum
christlichen Glauben, sei es in der katholischen, einer protestantischen oder einer
orthodoxen Kirche. So gesehen, ist die Prägung Europas unzweifelhaft christlich. Das
gleiche Bild ergibt sich, wenn man die Kulturgeschichte betrachtet, die Musik, die
Literatur, die Kunst. Von daher entspricht es schlicht und einfach den tatsächlichen
Gegebenheiten, diesen Faktoren, die historisch gewachsen sind, eine dementsprechende
Präsenz im öffentlichen Raum nicht nur zuzugestehen, sondern sie geradezu auch als
legitim erscheinen zu lassen - selbstverständlich immer auf der Basis der Freiwilligkeit.“
Der
„entscheidende Punkt“ ist aber für Mückl noch ein anderer: Er könne „nicht erkennen“,
wie der Vorschlag von Schulz überhaupt „in rechtliche Formen gegossen werden könnte“,
sagt Mückl.
„Denn die Europäische Union kann nur dann tätig werden, wenn
ihr im Hinblick auf einen Sachverhalt die Kompetenz zusteht. Und es ist nach der Rechtslage
ganz klar, dass die Zuständigkeit für das Verhältnis zwischen Staat und Kirche nicht
im Bereich der Union liegt, sondern bei den Mitgliedsstaaten verblieben ist. Und ich
sehe auch politisch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dies in absehbarer Zeit ändern
könnte!“
Also: Die Kreuze in den Klassenzimmern oder Gerichtssälen können
hängenbleiben. Bis zum nächsten Streit.