Papst Paul VI. wird selig gesprochen: Sehr schnell hat der Vatikan dieses Gerücht
bestätigt. Franziskus hat sein Einverständnis gegeben, am 19. Oktober 2014 wird er
seinen Vorgänger ins Buch der Seligen einschreiben. Nun darf man natürlich den Montini-Papst
nicht auf seine umstrittene Enzyklika „Humanae Vitae“ zu Ehe und Familie und zur Geburtenkontrolle
reduzieren. Aber zwei Faktoren lenken doch die Aufmerksamkeit auf gerade diesen Punkt
seines Pontifikats. Zum einen der Umstand, dass die Seligsprechung am letzten Tag
der Bischofssynode über Ehe und Familie stattfinden wird. Zum anderen die Tatsache,
dass das untersuchte Wunder Pauls VI. an einem ungeborenen Kind geschah. Wird also
sozusagen „Humanae Vitae“ selig gesprochen? Wir sprachen mit dem Postulator im Verfahren
Pauls VI., Pater Antonio Marrazzo.
„Er hat bis zum Schluss immer wieder
gesagt: ‚Ich bereue nicht, was ich getan und geschrieben habe.’ Die Enzyklika ist
in reduktiver Weise gelesen worden: Er hatte sie als Enzyklika über die eheliche Liebe
angelegt, das Thema ist also sehr viel breiter, doch dann haben manche sie auf etwas
einseitige Weise gelesen. Ich glaube, Montinis Idee war einerseits, die Kontinuität
im Lehrgebäude der Kirche zu wahren; auf der anderen Seite versuchte er dem entgegenzukommen,
was der Wert der ehelichen und familiären Realität ist, auch den dringenden Fragen,
die sich in der modernen Welt stellten. Natürlich gibt es bei einem heiklen Thema
immer einige, die dafür, und andere, die dagegen sind. Paul VI. war dann vor allem
bestürzt über die Gewalt, mit der einige ihre Position vorbrachten. Aber es hat ihn
nun auch nicht sehr belastet, denn er folgte dem, was er als den Willen Gottes in
diesem historischen Moment erkannt hatte, und setzte das um.“
Pauls Pontifikat
(1963-78) fiel in eine schwierige Zeit: Das Konzil hatte große – vielleicht zu große
– Erwartungen geschürt, die Zahl der geistlichen Berufungen brach ein, der Westen
geriet in Turbulenzen (Stichwort: 1968), und das alles führte auch die Kirche in unruhiges
Fahrwasser.
„Manchmal machte Paul VI. den Eindruck, ein zweifelnder, mit
sich ringender Papst zu sein. Aber das war er gar nicht. Aus den Unterlagen, die wir
genau durchleuchtet haben, ergibt sich vielmehr eine Persönlichkeit, die diese Zeit
mit großer Hoffnung durchlebte. Er hat sich immer um ein Gleichgewicht der Dinge bemüht
und darum, ein Fixpunkt zu sein. Wir erleben die Selig- und die Heiligsprechungen
der Päpste, die das Zweite Vatikanische Konzil durchgeführt und erlebt haben, die
sich auch um seine Umsetzung gekümmert haben. Das alles führt uns vor Augen, dass
die Kirche eine aktive Präsenz in unserer Welt ist, im sozialen Bereich, und dass
sie im Zeichen der Barmherzigkeit mit dem Menschen ins Gespräch kommen will.“
Dass
Papst Franziskus auf Paul VI. große Stücke hält, wird immer wieder deutlich, etwa
in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii Gaudium“ vom letzten Herbst, in dem er
sich oft auf Papst Montini und dessen Text „Evangelii Nuntiandi“ bezieht. Im Kirchenvolk
aber ist Paul nicht so richtig populär, hier harrt er noch einer Art Wiederentdeckung.
„Man
muss ihn ein bisschen in der richtigen Optik wiederentdecken. Man spricht nicht viel
von ihm, aber ich habe festgestellt, wie stark die Erinnerung an ihn ist. In diesen
sieben Jahren, in denen ich der Postulator in seiner Causa war, haben mir viele Leute
aus aller Welt immer wieder gesagt: ‚Bitte sorge doch dafür, dass er zum Seligen gemacht
wird!’, fast als ob das von mir abhinge. Ja, wir sollten Montini wiederentdecken:
Wir entdecken dabei auch die historische Epoche wieder, die er mitgestaltet hat, und
erst heute, mit einigem zeitlichem Abstand, verstehen wir vollends und mit mehr Klarsicht
seine großen Führungsqualitäten. Ich weiß von vielen Menschen, die ihn im Gebet anrufen.
Man könnte sagen, er hat einen versteckten, aber nicht vergessenen Ruf der Heiligkeit.
Montini ist nicht vergessen worden. Er ist immer noch ein starker Bezugspunkt.“