2014-05-07 13:40:13

Anti-Folter Anhörung: Kirche will Glaubwürdigkeit zurückgewinnen


RealAudioMP3 Als konstruktiven Dialog mit wichtigen Klärungen beschreibt der Vatikanvertreter bei der UNO in Genf, Erzbischof Silvano Tomasi, die gemeinsame Sitzung des UN-Antifolterkomitees und der Vatikandelegation Anfang dieser Woche. Dabei hat der Heilige Stuhl zum ersten Mal einen Rechenschaftsbericht zur Anwendung der Antifolterkonvention vorgelegt. Defensiv ist die Vatikandelegation in Genf jedenfalls nicht aufgetreten – so hatte Tomasi vor dem Komitee explizit die Erfolge der katholischen Kirche im Kampf gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch aufgezählt. Dabei hatte er am Dienstagnachmittag neue Zahlen zu Missbrauchsfällen in der Kirche vorgelegt, die in den letzten zehn Jahren an die Glaubenskongregation gemeldet worden waren. Im Anschluss sagte der Vatikanvertreter gegenüber Radio Vatikan:


„Der wichtigste Punkt: Man muss die Experten davon überzeugen, dass die Kirche, der Heilige Stuhl und die Bischofskonferenzen, die Kirche generell, seit zehn Jahren an vorderster Front steht, um jeden sexuellen Missbrauch Minderjähriger zu bekämpfen, den Opfern zu helfen und diejenigen zu bestrafen, die schuldig sind. Wir wollen nicht, dass sich der Eindruck festsetzt, die Kirche habe nicht genug getan und habe das Problem nicht konfrontieren wollen. Deshalb ist es notwendig gewesen, genaue Zahlen zu nennen und die Aktivität der Glaubenskongregation zu demonstrieren, die von 2004 bis 2013 848 Kleriker in den Laienstand zurückversetzt hat. Zu zeigen also, wie ernst unser Wille ist, diesem Verbrechen ein Ende zu setzen und das Möglichste zu tun, um es zu verhindern.“


Insgesamt wurden in den letzten zehn Jahren 3.420 „glaubwürdige Beschuldigungen“ von Klerikern wegen sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen an die vatikanische Glaubenskongregation gemeldet, referierte Tomasi vor dem UNO-Komitee. Die Beschuldigungen bezogen sich auf Missbrauchsfälle, die sich in den 1950er, 60er, 70er und 80er Jahren ereignet hätten, so Tomasi. Neben den 848 entlassenen Geistlichen seien 2.572 mit anderen Strafen belegt worden, berichtete der Erzbischof weiter.


Laut Titel des Genfer Anti-Folter-Komitees ging es dort um Folter, nicht um sexuellen Missbrauch von Kindern – dieses Thema hatte der Vatikan bereits vor einigen Wochen ausführlich vor dem Kinderschutzkomitee der Vereinten Nationen besprochen. Dass sich die Diskussion in Genf jetzt aber stark auf sexuellen Missbrauch und Pädophilie verengte, sei allerdings „absehbar“ gewesen, so Tomasi. Die Antifolterkonvention schließt neben systematischer, politisch motivierter Folter und Anwendung der Folter als Erpressung auch „andere grausame, unmenschliche und herabwürdigende Behandlungen“ ein. Also auch sexuellen Missbruach? Dazu präzisierte Tomasi:


„Nicht jede Aktivität im Bereich sexueller Missbrauch ist ,Folter’, aber in der Konvention wird unter Artikel 16 klar gesagt, dass unmenschliche und demütige Behandlungsweisen in diese Konvention gehören. Es ist also auf der einen Seite legitim, dass die Experten dieses Thema berühren. Auf der anderen Seite muss man darauf bestehen, dass keine neuen Verbrechen hinzugefügt werden, die nicht in der Konvention selbst aufgeführt sind, und dass zum Beispiel zwischen der Kinderrechtskonvention und der Antifolterkonvention klar unterschieden wird."


Nocheinmal betonte Tomasi die rechtlichen Zuständigkeiten im Fall sexuellen Missbrauchs durch Kleriker.


„Alle Kleriker werden als Verantwortliche betrachtet, die an die Rechtsprechung des Heiligen Stuhls gebunden sind, auch wenn der Einfluss des Heiligen Stuhles über den Klerus in Ländern wie USA, Italien oder Irland nicht gesetzlicher Art ist, weil eben nur der Staat, in dem diese leben, sie verfolgen und als Schuldige vor Gericht stellen kann. Nichtsdestotrotz denke ich, dass man die Frage akzeptieren muss, wie sie gestellt wurde.“


Kann man sexuellen Missbrauch also als Folter werden? Abgesehen vom Empfinden des Opfers kann freilich die Motivation der Tat nicht ausgeklammert werden. Darauf verwies die Irin Mary Collins, bekannte Fürsprecherin von Opfern sexuellen Missbrauchs durch Kleriker und Mitglied im neuen vatikanischen Kinderschutzkommitee, in der vergangenen Woche vor Journalisten in Rom. Collins hat selbst in der Vergangenheit Missbrauch erfahren und bezeichnet sich als „Überlebende".


„Viele Überlebende (von Missbrauch, Anm.) würden sicher sagen, dass Missbrauch Folter ist, aber es handelt sich um eine ganz anderes Phänomen, das insgesamt unterschieden ist von der Definition der Vereinten Nationen, nach der Folter im Allgemeinen eine staatlich motivierte Folter meint. Ich glaube also, dass das in keiner Weise mit der Arbeit verbunden ist, die wir tun.“


Im Sinne der UN-Antifolterkonvention bezeichnet der Ausdruck „Folter“ „jede Handlung, durch die einer Person vorsätzlich große körperliche oder seelische Schmerzen oder Leiden zugefügt werden“ oder durch andere zugefügt werden lassen - zum Beispiel „um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erlangen, um sie für eine tatsächlich oder mutmaßlich von ihr oder einem Dritten begangene Tat zu bestrafen oder um sie oder einen Dritten einzuschüchtern oder zu nötigen.“

(rv 07.05.2014 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.