Bericht zur Anti-Folter-Konvention: Vatikan will konstruktive Begegnung
Die UNO-Konvention gegen die Folter hat der Vatikan bereits 2002 ratifiziert, Anfang
der kommenden Woche wird er nun erstmalig dem zuständigen Ausschuss der UNO in Genf
einen Bericht dazu vorlegen. Seit dem Bericht über Kinderrechte, den der UNO-Ausschuss
im Februar über den Vatikan erstellte, ist man aber unsicher, mit welchen Interessen
in Genf auf den Vatikan geschaut wird. Der Kinderschutz-Bericht war vielfach von kirchlichen
Kreisen als die Realität der Kirche nicht kennend kritisiert worden. An diesem Freitag
warnte Vatikansprecher Federico Lombardi vor einer ideologisierten Sichtweise, es
sei „nicht selten, dass auch Fragen gestellt werden, die nicht direkt mit dem Text
der Konvention zu tun haben“; so sei das etwa im letzten Januar bei der Anhörung des
Vatikans im UNO-Kinderschutzkomitee gewesen. „Dazu kommt dann auch oft Druck, den
ideologisch ausgerichtete NGOs von außen auf die Komitees ausüben“, erklärt Lombardi.
Vorlegen
wird den Bericht der Ständige Beobachter des Vatikan bei den UNO-Einrichtungen in
Genf, Erzbischof Silvano Tomasi. Radio Vatikan hat Erzbischof Tomasi gefragt, wie
man den unvermeidlichen Angriffen oder Einwänden entgegen treten kann, welche die
Debatte von der Folter-Konvention auf eine allgemeine Ebene heben wollten.
„Die
Verantwortung des Heiligen Stuhls wird auf zweierlei Weise ausgeübt. Zunächst ist
da die gesetzliche Verantwortung, die der Heilige Stuhl auf dem Gebiet des Staates
der Vatikanstadt hat und die er wie jede andere Regierung ausübt. Die zweite Weise
der Verantwortung hat einen geistlichen Charakter: mit einer Autorität, die auf der
besonderen Sendung der Kirche basiert und die die freiwillige Zustimmung der Gläubigen
zum katholischen Glauben einbezieht. Die Staaten behalten ja ihre eigene und exklusive
Gerichtsbarkeit über ihre katholischen Bürger, zum Beispiel wenn diese Verbrechen
begehen. Für viele ist es schwierig zu verstehen, dass das Ausüben von geistlicher
Autorität in Mittel und Prinzip unterschieden ist von der Ausübung politischer und
juristischer Macht. Weil der Papst Verantwortung für die ganze Kirche hat, glauben
sie, dass er über das Verhalten aller Katholiken entscheiden könnte und deswegen über
die verdienten Strafen für Mitglieder der Kirche. Die Schlüsselgewalt ist aber nicht
wie die Macht der Welt. Die Kirchenmitglieder auf der ganzen Welt sind keine Bürger
des Vatikanstaates, sondern Bürger der Länder, in denen sie leben - und in denen sie
wie alle anderen auch Rechte und Pflichten haben.“
Der Heilige Stuhl hat
am 5. Februar dieses Jahres mit Staunen und Befremden den Bericht der UNO-Kommission
zur Kenntnis genommen, in dem es um Vatikan und Kinderrechte geht. Sie haben damals
gesagt, dass dieser Bericht den Eindruck mache, er sei schon vor der Anhörung des
Vatikan im Januar geschrieben gewesen. Denken Sie, dass so etwas jetzt bei diesem
Anti-Folter-Bericht wieder geschehen könnte?
„Am kommenden 5. und 6. Mai
wird der Heilige Stuhl seinen Bericht der 52. Sitzung der Experten des Ausschusses
vorlegen, wie das auch andere Staaten tun. Es handelt sich dabei um ein normales Verfahren
zu einer verbesserten Anwendung der Konvention. Dennoch erscheinen auch bei einer
oberflächlichen Lektüre der abschließenden Anmerkungen des Ausschusses für die Anti-Folter
Konvention (CAT) über die Berichte der Staaten eine Reihe von Themen, die nur indirekt
und durch eine überzogene Interpretation etwas mit dem Text und der Absicht der Konvention
zu tun haben. Zum Beispiel wird der sexuelle Missbrauch an Kindern in den Bereich
dieser Konvention eingeführt, obwohl es dazu eine eigene Konvention, die Konvention
zu den Kinderrechten, gibt. Das ist überflüssig. Das gilt besonders, weil der Originaltext
keine Bezüge zu diesen Verbrechen enthält. Verschiedene Lesarten der Konvention
sind möglich. Im Bereich der Vereinten Nationen und der internationalen öffentlichen
Kultur finden wir zwei verschiedene Fronten, was einige Grundwerte angeht, welche
das Zusammenleben bestimmen. Ich meine zum Beispiel die Verteidigung des Rechtes auf
Leben und die Sorge für die Gruppen der Schwächsten in der Gesellschaft. Hier besonders
wird der Kontrast der beiden Kulturen sichtbar. Es gibt keinen Zweifel, dass Kinder,
die man sterben lässt, eine offensichtliche Form der Folter erfahren. In Kanada zum
Beispiel hat man zwischen 2000 und 2011 insgesamt 622 nach einer nicht gelungenen
Abtreibung lebend geborene Kinder sterben lassen, im Großbritannien waren es allein
2005 insgesamt 66. Einige Formen von Abtreibung stellen Folter dar, etwa die so genannte
„dilation and evacuation“: Der noch lebende Fötus wird zerstückelt, um dann aus dem
Uterus gezogen zu werden. Es ist klar, dass wir als Heiliger Stuhl eine Sicht des
Menschen haben, die von unserer christlichen Tradition herrührt und aus unserer Wahrnehmung
der Wirklichkeit, wie sie aus dem Naturrecht stammt.“
Der Heilige Stuhl
hat die Konvention gegen die Folter bereits am 22. Juni 2002 ratifiziert, liefert
aber erst jetzt seinen ersten Bericht, mehr als zehn Jahre nach der Unterschrift.
Woher kommt diese Verspätung?
„Der Heilige Stuhl nimmt sehr aktiv am internationalen
Leben teil. Er liefert seinen Beitrag als Stimme des Gewissens. Er hat keine große
Macht oder wirtschaftliche oder militärische Interessen, aber will den Menschen und
die grundlegenden Werte verteidigen, welche seine Würde erhalten: Religions- und Meinungsfreiheit,
Recht auf Solidarität, Kampf gegen Armut und gegen den Missbrauch von Macht. Deswegen
hat er die Konvention gegen die Folter unterzeichnet und ratifiziert. Es hat das für
den Vatikanstaat getan vor allem als Zeichen der Zurückweisung jeder Form von Gewalt
gegen Menschen. Die Verzögerung in der Erstellung des Berichts für den Ausschuss
der Konvention lässt sich zum Teil dadurch verstehen, dass es keine Aufgabe des Heiligen
Stuhls ist, die Prinzipien und die Art und Weise zu handeln, welche die Konvention
sanktioniert, zu verteidigen. Trotzdem kommt der Heilige Stuhl seiner Verpflichtung
nach, und das nicht nur formal, sondern in einer konstruktiven Begegnung mit den Experten
des Ausschusses. Die Konvention wurde ursprünglich in Erinnerung an den Horror des
Zweiten Weltkrieges und im Wunsch verabschiedet, gefangene Menschen vor Befragungsmethoden
zu schützen, welche die Würde und Freiheit des Menschen verletzen. Diese Botschaft
der Konvention wollen wir durch unsere Teilnahme befördern.“