Tag der Arbeit: „Arbeit heißt Würde, Brot nach Hause bringen und lieben"
„Ich bitte die politischen
Verantwortungsträger zwei Dinge nicht zu vergessen: die Würde des Menschen und das
Gemeinwohl.“ Mit diesem Tweet zum Ersten Mai hat sich aus dem Vatikan Papst Franziskus
zu Wort gemeldet. Erster Mai, der Tag der Arbeit, ist auch im Vatikan arbeitsfrei:
Es ist das Fest Josefs des Arbeiters. Im vergangenen September hat Franziskus bei
einer Begegnung mit Repräsentanten der Arbeit – unter ihnen vielen Arbeitslosen –
in Cagliari auf Sardinien eine spontane Grundsatzrede zum Thema gehalten. Viele jünger
und ältere Menschen hatten damals auf der Hafenpromenade der sardischen Provinzhauptstadt
ihrer Enttäuschung über die Vorgänge in der modernen Arbeitswelt Luft gemacht. „Arbeit!
Arbeit“ tönte es, und manch Beobachter fühlte sich an eine Gewerkschaftsdemonstration
erinnert. Papst Franziskus hörte die Menschen und beschloss, seine vorbereitete Rede
zur Seite zu legen. Hier einige Auszüge aus seiner spontanen Rede:
„Wo es
keine Arbeit gibt, fehlt die Würde! Und das ist nicht nur ein Problem Sardiniens –
aber hier ist es groß! –, es ist nicht nur das Problem Italiens oder einiger Länder
Europas, es ist die Folge einer globalen Entscheidung, eines ökonomischen Systems,
das zu dieser Tragödie führt; ein Wirtschaftssystem, in dessen Zentrum ein Götze steht,
der Geld heißt. …
Das Geld regiert! Es regieren alle diese Dinge, die ihm dienen,
diesem Götzen. Und was geschieht? Um diesen Götzen zu verteidigen drängen sich alle
im Zentrum zusammen und die an den äußeren Rändern fallen heraus, die Alten fallen,
weil es in dieser Welt keinen Platz für sie gibt. … Und es fallen die jungen Menschen,
die keine Arbeit finden und damit auch nicht ihre Würde. … Es ist schwierig, Würde
zu haben, ohne zu arbeiten.
Das ist euer Leiden hier. Das ist eure Bitte, die
ihr da drüben gerufen habt: Arbeit, Arbeit, Arbeit. Das ist eine notwendige Bitte.
Arbeit, das heißt Würde, Arbeit, das heißt, Brot nach Hause zu bringen, Arbeit, das
heißt lieben! Um dieses götzendienerische Wirtschaftssystem zu verteidigen, führt
man die »Wegwerf-Kultur«, die Kultur der Ausgrenzung ein: die Großeltern und die Jugendlichen
werden ausgegrenzt. Und wir müssen Nein sagen zu dieser Kultur der Ausgrenzung. Wir
müssen sagen: Wir wollen ein gerechtes System! Ein System, das uns alle vorwärts gehen
lässt. Wir müssen sagen: Wir wollen dieses globalisierte Wirtschaftssystem nicht,
das uns sehr schadet! Im Mittelpunkt müssen der Mann und die Frau stehen, wie Gott
es will, und nicht das Geld!...
Aber euch, euch allen, jenen, die Arbeit haben,
und jenen, die keine Arbeit haben, sage ich: Lasst euch die Hoffnung nicht rauben!
… Die Hoffnung ist etwas, das euch angeht und das uns angeht. Sie geht alle an! Deshalb
sage ich euch: Lasst euch die Hoffnung nicht rauben!“
Im Anschluss betete Franziskus
vor den Anwesenden ein Gebet:
„Herr und Gott, blicke auf uns! Blicke auf
diese Stadt, diese Insel. Blicke auf unsere Familien. Herr, dir hat die Arbeit
nicht gefehlt, du warst Zimmermann, du warst glücklich. Herr, uns fehlt die Arbeit. Die
Götzen wollen uns die Würde rauben. Die ungerechten Systeme wollen uns die Hoffnung
rauben. Herr, lass uns nicht allein. Hilf uns, einander zu helfen; dass wir ein
wenig den Egoismus vergessen und wir im Herzen das „Wir“ spüren; wir als Volk, das
vorangehen will. Herr Jesus, dir hat die Arbeit nicht gefehlt, gib uns Arbeit
und lehre uns, für die Arbeit zu kämpfen, und segne uns alle. Im Namen des Vater,
des Sohnes und des Heiligen Geistes.“