Er hat fast vierzig
Jahre an der Seite von Karol Wojtyla, dem heiligen Johannes Paul gestanden. Er war
auch die treibende Kraft hinter der Selig- und Heiligsprechung. Kardinal Stanislaw
Dziwisz von Krakau erzählt:
„Ich habe Karol Wojtyla kennengelernt, als er
noch Professor war und noch nicht Bischof. Er bot den frisch ins Priesterseminar Eingetretenen
die Einleitung in Philosophie und Theologie. Wir haben sofort gemerkt, dass das jemand
sehr Spezielles war, von tiefer Spiritualität und auch als Lehrer herausragend, immer
gut vorbereitet, seine Stunden waren immer sehr interessant. Er hatte auch sofort
die große Sympathie aller Seminaristen, aller Studenten auf seiner Seite. Was war
es eigentlich, was uns so beeindruckte? Mir fällt dazu jetzt ein: Immer, wenn Pause
war, ging er in die Kapelle hinüber, um zu beten. Und wenn er in der Kapelle war,
dann war er so tief versunken, da erreichte ihn nichts von dem, was drumherum ablief.
Wir haben ihn damals von ferne bewundert.“
39 Jahre hat Dziwisz als Sekretär
an der Seite von Karol Wojtyla gestanden: zwölf in Krakau, 27 in Rom. Er wurde von
ihm zum Priester und auch zum Bischof geweiht. Er war ihm bis zum 2. April 2005, abends
um 21.37 Uhr, zu Diensten, bis zum Tod also. In all diesen Jahren hat ihn vor allem
ein Moment nach dem Attentat auf Johannes Paul vom Mai 1981 beeindruckt:
„Er
betete mit seinem ganzen Leben“
„Als er nach dem Attentat noch bei
Bewußtsein war, da hat er dem Attentäter sofort vergeben – dabei wußte er noch gar
nicht, wer es war! Und er hat sofort sein Leiden für die Kirche und für die Welt aufgeopfert.
Er betete in diesem Moment nicht für sich selbst, um mit dem Leben davonzukommen,
er betete für die anderen. Und das ist etwas Außergewöhnliches. Alles ging bei ihm
immer über das Gebet. Man hat mich mal gefragt: Wieviele Stunden hat er eigentlich
gebetet? Meine Antwort darauf ist: Eigentlich hat er mit seinem ganzen Leben gebetet.“
‚Totus
tuus’ hieß der Wahlspruch von Papst Johannes Paul II.: ‚Ganz dein’.
„Das
war natürlich Marienverehrung, aber er hatte auch eine große Verehrung für den Heiligen
Geist. Das hatte er von seinem Vater gelernt; und dann hat er sehr gern den Rosenkranz
gebetet, bei dem er mit Maria zusammen das Leben des Herrn meditierte.“
Dass
Kardinal Dziwisz so auf dem Gebetsleben von Johannes Paul insistiert, könnte damit
zu tun haben, dass viele Menschen den polnischen Papst vor allem als Mann der Aktion
in Erinnerung haben. Er reiste in mehr als 120 Länder der Erde, er begegnete so vielen
Menschen in so vielen Teilen der Welt wie wohl kein Staatsmann vor oder nach ihm.
Das Bild vom universellen Hirten überdeckt ein wenig den mystischen Zug des Karol
Wojtyla; und es darf auch nicht vergessen machen, dass er trotz seiner polyglotten
Art im Tiefsten immer ein Pole geblieben ist.
„Wir bauen Brücken und
nicht Mauern“
„Ja, sicher. Er war sehr verbunden mit seinem Land,
vor allem mit Krakau, mit der polnischen Kultur, der polnischen Kirche. Das ging bei
ihm zusammen mit seinem Zugehen auf die ganze Kirche, die ganze Welt, auf alle Nationen
und Religionen. Er hatte viele Freundschaften mit Juden und auch Kontakte zu Muslimen
und Menschen aus anderen Religionen. Immer wieder sagte er: ‚Wir bauen Brücken und
nicht Mauern!’“
In der Regel gehören Heilige der Kirche weit zurückliegenden
Epochen an. Jetzt haben wir mit Johannes Paul II. einen Heiligen, an den sich viele
von uns erinnern, einen Mann unserer Zeit.
„Er inspiriert die Menschen auch
heute, vor allem die jungen Leute, das habe ich in Rio gesehen, da interessiert sich
auch eine neue Generation für ihn, die ihn nicht mehr gekannt hat. Aber wenn Papst
Franziskus in Rio von ihm sprach, gab es jedesmal großen Enthusiasmus. In den verschiedensten
Bereichen – im Sozialen, in der Theologie – war er immer sehr präsent, er hat ja auch
ein großes Erbe in der Lehre hinterlassen, das man noch vertiefen kann, vor allem
was die Verteidigung der Menschenrechte, der Freiheit des Menschen und der Nationen
betrifft. Man kann über die verschiedensten Themen sprechen – er war immer darin präsent.“
Ein
Papst, der versuchte, allen alles zu sein: Initiator der Weltjugendtage, aber gleichzeitig
den Alten und Kranken besonders nahe, vor allem in seinen letzten Jahren. Für Kardinal
Dziwisz ist vor allem ein Aspekt wichtig:
„Er war sicher der Papst der Verteidigung
des Lebens – absolut! Auch der Papst der Familie. Ihm ging es darum, seine Stimme
den Armen zu leihen, den Nationen der Dritten Welt. Darum reiste er so oft in die
armen Länder – um die Stimme zu heben und den Reichen klarzumachen: ‚Ihr müßt den
Armen helfen, sonst kommt es zu einem neuen Weltkonflikt!’“
Dzwisz hat
mit seinem Papst viel erlebt, über alles kann er aus dem Stegreif reden. Nur die Frage,
was er denn jetzt bei der Heiligsprechung fühlt, bringt ihn ein bißchen aus dem Konzept:
„Ich
weiß nicht. Ich weiß nicht. Das ist für mich natürlich etwas Seltsames. Dass ich ihn
von jetzt an einen Heiligen nennen werde...“