2014-04-27 09:08:59

Heiligsprechung als „Würdigung von Barmherzigkeit“


Sehr bewusst würdigt Papst Franziskus mit der Heiligsprechung von Johannes XXIII. und Johannes Paul II. am Sonntag zwei Vorgänger, die den Leitbegriff seines Pontifikats - die Barmherzigkeit Gottes - in ihrem theologischen Programm hatten und ihr Impulse gaben. Das hat der an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Wien lehrende Dogmatiker Jan-Heiner Tück in einem Gastbeitrag für die „Neue Züricher Zeitung“ dargelegt. Heiligsprechungen seien schließlich über die Anerkennung persönlicher Vollkommenheit hinaus stets auch „Instrument kirchlicher Gedächtnispolitik“.

Heilmittel Barmherzigkeit
Johannes XXIII. war jener Papst, der erstmals zum Gebrauch des „Heilmittels der Barmherzigkeit“ aufrief, und zwar in seiner Ansprache zur Eröffnung des II. Vatikanischen Konzils, in der er zugleich den „Waffen der Strenge“ und „Unglückspropheten“ eine Absage erteilte, erinnerte Tück. Mit Erfolg: Die Konzilsbischöfe verzichteten daraufhin auf dogmatische Definitionen ebenso wie auf lehramtliche Verurteilungen zugunsten eines pastoralen Lehrstils, der potenziell alle Menschen als Adressaten des Evangeliums sah und die Botschaft vom Heil in einer werbenden Sprache darzulegen versuchte.

„Reich“ und noch kaum rezipiert sei die Theologie Johannes Pauls von Jesus Christus als „Inkarnation des göttlichen Erbarmens“, hob Tück weiter hervor. Etwa in der Enzyklika „Dives in misericordia“ von 1980 machte der Papst die Einladung zur Umkehr und Erneuerung mit den offenen Armen eines barmherzigen Vaters deutlich, angelehnt an das Gleichnis vom verlorenen Sohn. Auch die Einführung des „Barmherzigkeitssonntags“ sieben Tage nach Ostern im Jahr 2000 - der Papst berief sich dabei auf die von ihm heiliggesprochene Ordensschwester Faustyna Kowalska (1905-1938) - deute in dieselbe Richtung.

Volksnähe Merkmal beider Päpste
Auch in zahlreichen anderen Aspekten könne und müsse Franziskus, der „die Kirche in einen Zustand der permanenten Mission versetzen“ wolle, das Engagement seines Vorvorgängers schätzen und an dieses anknüpfen. Der Wiener Dogmatiker erwähnte hier etwa die Verbundenheit mit den Ortskirchen, die der Wojtyla-Papst durch über 100 Pastoralreisen und 1.338 Selig- und 482 Heiligsprechungen zeigte, dessen Einsatz für Menschenrechte und Religionsfreiheit, sowie die Verdienste um Dialog mit Judentum und Islam. Die besondere Volksnähe sei ein Merkmal beider ab jetzt heiligen Päpste gewesen.

Freilich hinterlasse Johannes Paul II. auch manche Hypotheken, laut Tück „sein eher gebrochenes Verhältnis zur Moderne, die Stärkung des römischen Zentralismus mit umstrittenen Bischofsernennungen, die Bevorzugung neuer geistlicher Bewegungen auf Kosten der Ortskirchen, aber auch Spannungen zwischen römischem Lehramt und akademischer Theologie“. Franziskus habe erste Weichen einer heilsamen Dezentralisierung bereits gestellt, zudem habe sich das Verhältnis zur Befreiungstheologie „spürbar entkrampft“.

(kap 27.04.2014 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.