„Was macht ein theologischer Psychotherapeut in einer TV Show? Er verteidigt die katholische
Kirche!“ Auch wenn er es nie auf der Uni gelernt hat – Manfred Lütz kann theologische
Inhalte einfach formulieren. Diese Fähigkeit hat sich der Chefarzt, katholische Theologe
und Schriftsteller mit der Zeit angeeignet. „Es muss auch der Metzger verstehen“,
so sein Motto. Am Donnerstagabend hat Lütz sein neues Buch „Der blockierte Riese:
Die katholische Kirche“ in der deutschsprachigen Gemeinde Santa Maria dell’Anima in
Rom präsentiert. Anwesend waren deutsche und österreichische Theologen, Journalisten,
Diplomaten und Geistliche. Nina Oetzelt hat zugehört.
Seit Lütz die erste
Fassung des Buches 1999 veröffentlichte, hat sich „viel getan – auch in der Kirche“,
so Lütz. Das jetzt in Rom vorgestellte Buch ist daher eine Neufassung, die auch die
ersten Monate des Pontifikates von Papst Franziskus berücksichtigt. Dazu Lütz:
„Ich
habe praktisch ein neues Buch geschrieben und es mit vielen Aussagen von Papst Franziskus
erweitert. Er macht etwas mit der Kirche, was wir auch in der modernen Psychotherapie
machen. Er versucht, die Menschen auf das Wesentliche zu konzentrieren: Geht an die
Grenzen, helft den Menschen in Not. Die Frage von konservativ oder progressiv ist
- angesichts eines Menschen in Not in Lampedusa - lächerlich. Dort muss man helfen.“
Lütz
zieht in seinem Buch Parallelen zwischen Psychotherapie und Kirche. Es sei sinnvoller,
zwei Drittel der Zeit Lösungen zu widmen und nur ein Drittel Problemen, so der Arzt
und Theologe. Lösungsorientiert sein - das brauche es auch in der Kirche:
„Wenn
wir mehr den Glauben verkünden, auch die erlösende Botschaft, die Barmherzigkeit Gottes
verkünden, in einer Welt, wo man vielleicht auch ein beängstigendes Gottesbild hat,
desto mehr merken auch Progressive und Konservative, dass es das Entscheidende ist,
Menschen zum Glauben zu bringen, die an nichts glauben.“
Dies könne
helfen, die Krise der Kirche zu lösen. Lütz begreift diese Krise auch als Spaltung
zwischen Progressiven und Konservativen Geistlichen. Papst Franziskus gelinge hingegen
eben jener Perspektivenwechsel, den auch die Psychotherapie bei Patienten erzielen
wolle, so Lütz. Es gehe darum, sich nicht ausschließlich auf die Vergangenheit zu
konzentrieren, sondern eben auch sehr stark auf die Zukunft. In der modernen Therapie
sei dies ein Erfolgsrezept. Warum soll dieses Konzept nicht auch in der Kirche funktionieren,
fragt Lütz. Oft habe die Lösung nichts mit dem Problem zu tun.
„Das
ist gar nicht so unlogisch, weil das Problem etwas ist, was uns über den Weg läuft.
Die Lösung aber haben wir meistens aus unseren individuellen Ressourcen. Wenn jemand
bei der Musik von Mozart sein Ehe-Problem lösen kann, dann kann er mit Mozart vielleicht
auch ein berufliches Problem lösen. Wir schauen also: Wann haben sie das letzte Mal
ein ähnliches Problem gelöst? Und die Kirche hat in 2000 Jahren Kirchengeschichte
so viele Probleme gelöst, dass es sinnvoll wäre, die Kirche nach ihren Kräften zu
beobachten, ohne ihre Schwächen zu leugnen. Die Probleme werden gelöst nicht durch
ihre Analyse, aber durch die Kräfte.“ Es gehe also gleichsam darum,
„nicht mit dem Müllwagen“, sondern „mit der Schatzkiste“ durch die Kirchengeschichte
zu reisen und missionarisch zu sein, appelliert der Arzt und Theologe – so wie es
uns Papst Franziskus täglich vorlebe. Man solle sich deshalb an die missionarische
Kraft des Papstes halten. Die Geschichten von Heiligen und Seligen zu erzählen, wäre
dabei ein guter Anfang, findet der Theologe.