Theologie braucht
offenes, unabgeschlossenes Denken, keine Selbstverliebtheit. Das hat Papst Franziskus
vor Mitgliedern des Zusammenschlusses der jesuitischen Hochschulen und Institute in
Rom betont. Dazu gehören die päpstliche Universität Gregoriana, das Päpstliche Bibelinstitut,
das Päpstliche Institut Orientale und die Stiftung „Fondazione La Gregoriana“. Der
Papst empfing sie an diesem Donnerstag in Audienz. Mit dabei war der Generalobere
des Jesuitenordens, dem auch der Papst angehört: Pater Adolfo Nicolás. Franziskus
sagte bei der Audienz:
„Der gute Theologe und Philosoph hat ein offenes
und damit unabgeschlossenes Denken, das immer offen ist gegenüber dem ,Mehr’ Gottes
und der Wahrheit, es ist immer in Entwicklung, entsprechend dem Gesetz, das Vinzenz
von Lérins so beschreibt: ,Auch das Dogma der christlichen Religion muss diesen Gesetzen
folgen. Es schreitet voran, festigt sich mit den Jahren, entwickelt sich mit der Zeit
und vertieft sich mit dem Alter’ (Commonitorium Primum, 23: PL 50, 668). Das ist der
Theologe mit einem offenen Geist. Der Theologe, der nicht betet und nicht Gott huldigt,
endet im verabscheuungswürdigsten Narzissmus. Das ist eine Krankheit der Kirche. Der
Narzissmus der Theologen, der Denker und ,Gerechten’ tut sehr weh.“
Der
Papst erneuerte bei der Audienz sein Plädoyer für eine „Theologie auf Knien“. Diesen
Ansatz hatte er jüngst auch am Werk von Kardinal Walter Kasper lobend hervorgehoben.
Eine Herausforderung der Gegenwart sei doch, Wissen zu vermitteln und eine „lebendige
Lesart“ desselben anzubieten.
„Es braucht eine wahre Hermeneutik des Evangeliums,
um das Leben, die Welt, die Menschen besser zu verstehen, keine Synthese, sondern
eine spirituelle Atmosphäre der Forschung und der Sicherheit, die auf den Wahrheiten
des Verstandes und des Glaubens gründet. Philosophie und Theologie erlauben es, Überzeugungen
zu gewinnen, die die Intelligenz strukturieren und sie stärken und den Willen erleuchten…
Doch all das ist nur fruchtbar, wenn man es mit einem offenen Geist und auf Knien
vollzieht. Mit offenem Geist und auf Knien. Der Theologe, der sich am eigenen abgeschlossenen
Denken ergötzt, ist mittelmäßig.”
Franziskus erinnerte daran, dass das
Konsortium der jesuitischen Hochschulen und Institute in Rom in jesuitischer Hand
ist und im Zeichen des Gehorsams gegenüber dem Papst und der katholischen Kirche steht.
Der Zusammenschluss war im Jahr 1928 auf Anregung von Papst Pius XI. gebildet worden.
Franziskus rief die verschiedenen Institutionen dazu auf, ihre Zusammenarbeit zu verstärken.
Ihre Aufgabe sei die Bewahrung der Geschichte ebenso wie ein „globaler“, konstruktiver
und mutiger Blick auf Herausforderungen der Moderne.
Der Horizont des
Katholischen ist weit
Ein besonderes Merkmal des Konsortiums sei sein
internationaler Charakter, unterstrich der Papst, ein „unschätzbarer Reichtum der
römischen Institutionen“. Die in den verschiedenen Hochschulen und Instituten arbeitenden
Fachkräfte und Studenten bildeten eine enorme Vielfalt unterschiedlicher Herkunftskirchen
und Kulturen ab, so Franziskus:
„Das bietet eine kostbare Gelegenheit für
das Wachstum des Glaubens und eine Öffnung des Geistes und des Herzens gegenüber dem
Horizont der Katholizität. Innerhalb dieses Horizontes hat die Dialektik zwischen
,Zentrum’ und ,Peripherie’ eine eigene Form, eine Form des Evangeliums, der Logik
eines Gottes entsprechend, der das Zentrum erreicht, indem er vom Rand her kommt und
zu diesem wieder zurückkehrt.“
Darüber hinaus sei der Standort Rom als
Ort der Wurzeln des Glaubens ein besonderer, fuhr der Papst: Die Erinnerung an die
Apostel und Märtyrer der katholischen Kirche sei hier ebenso präsent wie das aktuelle
Leben einer Weltkirche, die im Dienste der Bedürftigen, der Einheit und der Universalität
stehe. Wesentlich für Studium und Forschung seien das Gebet und ein enges Verhältnis
zu Gott:
Das ist keine antike Sache
„Euer geistiger
Einsatz, in der Lehre und bei der Recherche, beim Studium und der weiterreichenden
Bildung, wird umso fruchtbarer und effizienter, als er durch die Liebe zu Christus
und zur Kirche belebt ist und umso enger die Beziehung zwischen Studium und Gebet
ist. Dies ist keine antike Sache, sondern das Zentrum, hört ihr?“ Zugleich
müsse das Studium mit dem persönlichen und gemeinschaftlichen Leben eine Einheit bilden,
fuhr der Papst fort, ebenso mit einem Lebensstil, der durch „brüderliche Barmherzigkeit“
und das „Teilen mit den Armen“ gekennzeichnet sei. „Eure Institute sind keine
Automaten, die Theologen und Philosophen produzieren; es sind Gemeinschaften, in denen
man wächst, und dieses Wachstum passiert innerhalb einer Familie.“