Befreiungstheologe Paulo Suess: Lateinamerika ist jetzt Weltkirche
„Die katholische
Kirche soll ein Garten sein, wo Schmetterlinge freiwillig hereinfliegen - und kein
Netz, das sie einfängt."
So beschreibt Paulo Suess, einer der bekanntesten
Vertreter der Befreiungstheologie, seine Arbeit mit indigenen Völkern in Brasilien.
Er lebt und wirkt in Südamerika seit 1966. Kurz nach einer Privataudienz mit Papst
Franziskus hat er Radio Vatikan am Freitagabend von seiner Arbeit in Südamerika erzählt.
Suess ist ehemaliger Generalsekretär des Indigenen Missionsrates (CIMI).
Siebzig
Prozent der Gemeinden haben in Brasilien keinen Sonntagsgottesdienst, weil es zu wenige
Priester gibt. Der Theologe würde es begrüßen, wenn auch die Ältesten der Gemeinden
diesen Dienst übernehmen könnten. Er fordert eine neue Generation mit pastoraler Courage:
„Es geht nicht um Rettung. Es geht um Gemeindebildung! Um diese Leute zu stärken,
auch in einer gewissen Verlassenheit in diesen riesigen Gebieten, wo die Leute leben
und gegen Hunger kämpfen. Es geht darum, sie dort nicht alleine zu lassen.“
Neue
Aspekte des Christentums im Mittelpunkt
Suess merkt an, dass Papst Franziskus
der lateinamerikanischen Kirche sehr gut tut. Er ist froh, dass Lateinamerika jetzt
mit Papst Franziskus „Weltkirche ist“. Damit werden, seiner Meinung nach, eine neue
Denkweise und neue Aspekte des Christentums in den Mittelpunkt gerückt:
„Papst Franziskus ist ganz nah bei Jesus. Man kann sich immer vorstellen, wie Jesus
in bestimmten Situationen reagiert hätte. Das ist das Schönste, was man über einen
Papst sagen kann, dass er kein Verwaltungsmanager von einer Großbank, sondern einer
ist, der seine Freude aus der Nähe zu den Menschen schöpft. Darum geht er auch auf
die Menschen zu, in Rio hat man das gut gesehen. Er umarmt Kinder, küsst Kranke –
so kann man sich Jesus heute vorstellen.“
Bei der Missionsarbeit geht es
laut Suess seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil vorrangig um die Nächstenliebe, die
Gottesliebe sowie die Bewusstseinsbildung und Verbreitung von Hoffnung.
„Da
geht es nicht nur um Ökonomie. Da geht es auch um die Sinnfrage und die Zukunft. Diese
Fragen verbinden uns heute alle in ähnlicher Weise – Ökologie und die Zerstörung der
Natur. Und da geht es nicht nur um die Bäume, sondern auch um die Menschen, die auf
der Erde leben. Das sind alles Aufgaben, die wir nur in einer Weltkirche bewältigen
können.“