2014-04-02 10:01:24

Ukraine: Bereit zu Reformen


RealAudioMP3 Die Mehrheit der Ukrainer ist zu politischen Reformen bereit, auch wenn diese schmerzhaft sind. Das bekräftigt der Kiewer Caritaspräsident Andrij Waskowycz im Interview mit Radio Vatikan. Nachdem Russland seine Nothilfen für das Land ausgesetzt hat, wird die Ukraine allerdings von akuter Finanznot heimgesucht. Vor diesem Hintergrund habe die Kiewer Übergangsregierung unter Führung von Arsenij Jazenjuk bereits „einschneidende Maßnahmen“ angekündigt, berichtet Waskowycz:

„Die Bevölkerung, die gesamte Gesellschaft muss den Gürtel enger schnallen, Reformen müssen durchgeführt werden, die wirklich jeden betreffen, z.B. wegen der Erhöhung der Gaspreise, die auch umgelegt werden muss auf die Bevölkerung. Das sind einschneidende Maßnahmen in einem Land, das zu den ärmsten Europas gehört. Die Zustimmung zu den Worten des Premierministers in dem Augenblick, wo er von diesen Notwendigkeiten sprach, ging bis zu 75, 80 Prozent! Das heißt, die Menschen verstehen, dass jetzt einschneidende politische Reformen kommen müssen, dass sich etwas verändern muss, und sie sind bereit, es mitzutragen, wenn dadurch neue Perspektiven für das Land eröffnet werden.“

Waskowycz bezieht sich bei diesen Zahlen auf eine repräsentative Zuschauerbefragung in einer ukrainischen Fernsehsendung. Dass die ukrainische Bevölkerung Missstände in ihrem Land wie etwa die Korruption nicht mehr länger hinnehmen will, beobachtet er schon länger. Hier sei im Laufe der Proteste ein neues Bürgerbewusstsein entstanden, das von der Basis der Gesellschaft ausgehe:

„Ich glaube, die heutige Revolution in der Ukraine, die Bewegung, die zu den jüngsten Ereignissen geführt hat, unterscheidet sich von der orangenen Revolution von 2004 dadurch, dass sie nicht auf die Führungselite konzentriert ist, sondern eine Bewegung von unten her ist. Das bedeutet, dass die Menschen heute erkannt haben, dass es von ihnen abhängt, wie sich das Land entwickelt, dass sie Teil eines politischen Prozesses sind und dass sie Verantwortung übernehmen müssen. Das bedeutet, dass sie Veränderungen wollen und dass sie heute auch bereit sind, die Regierung zu kontrollieren; dass sie bereit sind oder zumindest versuchen, gegen die Korruption im Lande anzukämpfen.“

Dass dieser Prozess nicht einfach ist, wüssten die Menschen im Land sehr wohl, betont der Caritas-Präsident. Die Herausforderungen, vor denen die Ukraine steht, sind groß: Neben einer Lösung für die wirtschaftliche Notlage muss eine neue politische Führung gefunden werden, die demokratisch legitimiert ist – am 25. Mai wird immerhin schon einmal ein neuer Präsident gewählt –, und das Tauziehen mit Russland um die Krim führt zusätzlich zu inneren Spannungen. Eines wisse die Bevölkerungsmehrheit aber ganz sicher, so der Caritas-Direktor: Hinter die Annäherung an die Europäische Union führe kein Weg mehr zurück. Dafür habe man schließlich auf dem Maidan gekämpft.

„Die Proteste, die entstanden, als die (alte, Anm.) ukrainische Regierung diesen Weg eingefroren hat (…), die Reaktionen darauf waren: Uns wird die Perspektive genommen, uns zu entwickeln, uns zu reformieren. Durch die Assoziierung hatte sich ein Weg innerer Reformen geöffnet, ein Weg der Bekämpfung der Korruption, der Transparenz in der Politik, der durchsichtigen Wirtschaftspolitik und der Unmöglichkeit, den Staatshaushalt zu rauben. Eine der größten Quellen des Reichtums der Oligarchen und der politischen Elite in der Ukraine ist ja der Zugang zum Staatshaushalt und zu korrupten Schemata.“

Auf dem Maidan in Kiew werde immer noch demonstriert, erzählt Waskowycz. Die Leute wollten noch bis zu den Präsidentschaftswahlen durchhalten. Gewalt gebe es zum Glück keine mehr, so der Caritas-Chef, die Lage sei „stabil“. Die Caritas kümmere sich weiter um die Opfer der Februar-Proteste auf dem Maidan und ihre Angehörigen:

„Wir haben Programme aufgelegt und sind dabei, sie ins Werk zu setzen - Hilfe für die Verletzten des Maidan, für die Verletzten der Polizeigewalt. Wir versuchen, den Familien Hilfe zu leisten; wir haben eine erste Bestandsaufnahme gemacht, um zu sehen, wie viele Leute Hilfe brauchen. Wir versuchen, soziale Programme für sie zu entwickeln, versuchen, sie zu begleiten, und wollen auch weiter reichende Hilfe anbieten. Das heißt, wir wollen für diese Leute auch da sein, wenn die mediale Aufmerksamkeit jetzt etwas zurückgeht.“

(rv 02.04.2014 pr)







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