Sozialethiker Hengsbach: Kapitalismus muss „entgiftet“ werden
Eine weitgehende „Entgiftung des Kapitalismus“ fordert der deutsche Sozialethiker
und Jesuit Friedhelm Hengsbach. Dazu müsse der vereinzelt schon eingeschlagene Weg
„weg von einer industriellen Konsumgesellschaft, hin zu einer kulturellen Dienstleistungsgesellschaft“
forciert werden, sagte Hengsbach bei einem Vortrag am Wochenende in Wien.
Die
Politik müsse dazu die Bereiche Bildung, Gesundheit, Pflege, Kommunikation und Kultur
als Felder künftiger und nachhaltiger Beschäftigungsformen erkennen. Im Bereich der
Arbeitsmarktpolitik würden laut Hengsbach die Stärkung der Kollektivlohn-Politik,
ein flächendeckender Mindestlohn, eine Erhöhung der Geschlechtergerechtigkeit bei
der Einkommensverteilung sowie eine Arbeitszeitverkürzung einer solchen „Entgiftung“
dienen. Eine „Entgiftung“ ist dem Sozialethiker zufolge notwendig, weil ein ungezügelter
Finanzkapitalismus sich der Kontrolle über ganze Staaten in Europa bemächtigt habe.
Er mache das Geld zu einem Religionsersatz und schließe zugleich ganze Bevölkerungsschichten
vom Markt aus. Papst Franziskus habe diese Form eines neuartigen, aggressiven Kapitalismus
mit dem umstrittenen Satz „Diese Wirtschaft tötet“ in seinem Lehrschreiben „Evangelii
Gaudium“ treffend beschrieben.
Gerade was die Arbeitszeiten anbelange, habe
es in den letzten zwei Jahrzehnten einen „ungesunden Trend“ hin zu Nacht- und Wochenendarbeit
gegeben. Dies führe dazu, dass vielen Eltern schlicht die Zeit dafür fehle, ihren
Kindern einen verantwortungsvollen Umgang mit der Schöpfung und den Mitmenschen vorzuleben.
Dies sei laut Hengsbach die eigentliche Wurzel des Übels, denn so würden auch zukünftige
Generationen um die Chance gebracht, eine gerechtere Gesellschaft mit zu errichten.
Neben
der sozialen Sicherung ist laut Hengsbach auch die ökologische Komponente von großer
Bedeutung für den wirtschaftlichen Wandel Europas. In einer Gesellschaft, in der die
Gewinnmaximierung das oberste Gebot darstelle, werde die Umwelt zu einer vernachlässigbaren
Randerscheinung. Damit drohe die Wirtschaft jedoch dem Menschen seine eigene Lebensgrundlage
zu entziehen.