Ukraine/Russland: „Das ist das Ende der Sowjetunion“
Hinter Vladimir Putins
Aggression auf der Krim steckt letztlich Angst, und damit geht ein Großmacht-Traum
zu Ende, den Moskau in seiner Geschichte immer wieder mal gehegt hat, zuletzt mit
der Sowjetunion. So analysiert der Provinzial der Jesuiten in der Ukraine, David Nazar,
das Geschehen auf der Krim.
In der Zeitschrift „Popoli“ schreibt Pater Nazar,
Putins Vorgehen, das „klar illegal“ sei, schwäche nicht nur die russische Wirtschaft.
Es bedeute auch das Aus für Putins langgehegtes Projekt einer Euroasiatischen Union.
Diese lasse sich nun einmal ohne die Ukraine nicht auf die Beine stellen, dazu böten
Kasachstan, Kirgisien und Weißrussland nicht genug. Russland habe zwar Öl, aber keine
diversifizierte Wirtschaft und keine Mittelschicht, so der Jesuit; zehn Prozent der
Staatseinnahmen kämen direkt von Gazprom. Die Ukraine sei hingegen der siebtgrößte
Stahlproduzent, der sechstgrößte Exporteur von Weizen, der drittgrößte von Mais, sie
stelle Autos und Traktoren, Waffen und Flugzeuge her. Vor allem aber verfüge sie über
eine breite Mittelschicht und eine starke Arbeiterklasse.
Aus der Sicht des
ukrainischen Jesuiten ist die größte Gefahr die Schwäche Putins. Die russischen Streitkräfte
seien gar nicht stark genug, um die ganze Ukraine zu besetzen, nur auf der Krim mit
ihrem größten russischen Marinestützpunkt finde Putin Rückhalt. Doch auch auf der
Krim habe es Demonstrationen gegen ihn gegeben, und es sei gar nicht sicher, dass
der russische Präsident wirklich dauerhaft die Hand auf die Halbinsel legen könne.
Sicher sei jetzt vor allem eines: „Damit ist die Sowjetunion, deren Untergang Putin
als Katastrophe bezeichnet hat, definitiv tot. Auch ihm selbst ist durch die jüngsten
Ereignisse klargeworden, dass die Ukraine nicht mehr zu seiner Machtsphäre gehören
wird. Eine Union, ob Sowjetunion oder Euroasiatische Union, kann es jetzt nicht mehr
geben.“
Pater Nazar denkt in seinem Aufsatz darüber nach, was es bedeutet,
dass während der ganzen Revolution auf dem Maidan in Kiew in den letzten Monaten pünktlich
zu jeder vollen Stunde gebetet worden sei. „Ich glaube, das Gebet hat in dieser Sache
eine wichtige Rolle gespielt“, schreibt er. „Es ist eine Art und Weise, um einen ‚Exorzismus’
gegen eine korrupte Regierung und die Überreste der sowjetischen Mentalität durchzuführen.
Es handelt sich um einen ersten Schritt, aber ich glaube, in der Ukraine hat er –
zumindest bis jetzt – funktioniert.“ Die „halbe Ukraine“ faste und bete für einen
gelingenden Übergangsprozess, so hätten das die Leute schon während der Revolution
gehalten.