Franziskus an Osttimor: Kirche sei kritisches Gewissen
Papst Franziskus hat
die Kirche in Osttimor aufgerufen, weiterhin das „kritische Gewissen der Nation“ zu
bleiben. Das setze eine Unabhängigkeit von der politischen Macht bei gleichzeitiger
Zusammenarbeit für das Gemeinwohl voraus, sagte er am Montag vor den Bischöfen des
seit 2002 unabhängigen südostasiatischen Landes. Zugleich sollten die Bischöfe das
Evangelium von der Barmherzigkeit verkünden - und zwar in einer für ihre Kultur verständlichen
Sprache. Osttimor ist neben den Philippinen das einzige Land Asiens mit einer katholischen
Mehrheit. Der Bischof von Bacau, Basilio Do Nascimento, erzählt im Interview mit Radio
Vatikan, wie die Kirche sich auf der Insel für Bildung und Demokratie einsetzt. Er
leitet die kleine Bischofskonferenz von Ost-Timor.
„Die Kirche hat auch
weiterhin eine wichtige Rolle in Ost-Timor, muss sich aber erst noch in die neue Realität
hineinfinden. Unmittelbar nach der indonesischen Invasion hatte sie die Rolle einer
Beschützerin des Volkes übernommen und alle Verstöße gegen die Menschenrechte durch
die Besatzer angeprangert. Dann gab es eine Phase, in der sie sich für die Versöhnung
mit den indonesischen Brüdern eingesetzt hat; und heute sieht sie sich als Erzieherin,
nicht nur wegen ihres Engagenemts im Schulwesen, sondern weil sie die Timoresen lehren
will, wie man in dieser neuen Lage seit der Unabhängigkeit leben sollte. Die Demokratie
ist nämlich etwas Neues für Ost-Timor, wir sind von einem traditionellen System sofort
zu einem modernen übergegangen, das muss die Bevölkerung erst einmal kennenlernen.
Die Rolle der Kirche besteht heute also darin, sie zur Demokratie zu erziehen.“
Der
neue Papst könne die besondere Lage Ost-Timors eigentlich leicht begreifen, findet
Bischof Do Nascimento: Die Insel liege an der „Peripherie“ – ein Wort, das Franziskus
lieb und teuer sei –, ja sie stelle ebenso wie Argentinien, Franziskus` Heimat, ein
„Ende der Welt“ dar.
„Aber auch wenn es so klein ist und nur so eine begrenzte
Unabhängigkeit hat: Es ist doch ein Land mit einer katholischen Tradition, die schon
fünfhundert Jahre alt ist! Darum werden wir den Papst dazu einladen, im Jahr 2015
mit uns das 500-Jahr-Jubiläum der Evangelisierung von Timor zu feiern...“
Als
größte Herausforderung für die drei Bistümer Ost-Timors nennt der Bischof die Bildung.
„Wenn
wir sagen, dass 97 Prozent der Bevölkerung katholisch sind, dann meint das die Zahl
der Getauften. Aber ihr Glaubenswissen liegt sehr im Argen. Das ist unter anderem
eine Folge des Bürgerkriegs: Damals ließen sich sehr viele Menschen taufen, aber die
Kirche hatte nicht die Zeit und nicht das Geld, um sie im Glauben zu erziehen. Auch
heute haben wir dafür zuwenig Strukturen, selbst das Ausbildungsniveau des Klerus
und der Seelsorgehelfer ist ziemlich niedrig. Da brauchen wir die Hilfe von anderen
Ortskirchen. Bisher hat uns vor allem die portugiesische Kirche geholfen, dieses Jahr
auch die brasilianische. Aber die Bildung bleibt unsere größte Sorge, auf allen Ebenen.“