2014-02-28 18:04:04

El Salvador: „Unter Franziskus mehr Debattenfreiheit"


RealAudioMP3 In der katholischen Kirche ist es unter dem jetzigen Papst leichter geworden, „in großer Freiheit über kontroverse Fragen neu nachzudenken": Das sagte der in El Salvador lehrende renommierte spanische Jesuit und Theologe Jon Sobrino am Freitag in Wien. Sobrino war seit den 1970er-Jahren mehrmals wegen seiner Positionierung für die Befreiungstheologie mit Rom in Konflikt. Er äußerte sich in einem Journalistengespräch aus Anlass eines Vortrags im Kardinal-König-Haus über die „Bekehrung der Kirche zu den Armen". Radio Stephansdom-Redakteurin Franziska Lehner sprach mit dem Theologen.

Reformwünsche an die Kirchenführung dürften nicht immer nur aus einem eurozentrischen Blickwinkel formuliert werden, sagte Sobrino. Das gelte auch im Blick auf die bevorstehende Weltbischofssynode zu Ehe und Familie. „Wir müssen hier auch die Dritte Welt beachten - etwa Afrika." Die Realität von Lebensgemeinschaften und von Polygamie sei „sicher ein Problem, andererseits muss man sehen, dass Polygamie für viele Frauen eine überlebenswichtige Realität ist". Dies sei nur eines von vielen Beispielen für zu wenig beachtete Anliegen aus den Ländern des Südens, erklärte Sobrino. Heute finde er es „leichter, das anzusprechen“ als in den 1980er Jahren.

Papst Franziskus stehe für ihn insbesondere für die Fähigkeit, „der Lüge die Maske herunterzureißen". Die Lüge sei ein umfassendes Problem, und sie bestehe auch im Verdecken der globalen Ungerechtigkeit. So bestehe keinerlei Interesse an Kriegen, die in Afrika wegen des Rohstoffbedarfes in Europa geführt werden, oder an dem weiterhin bestehenden Elend in Haiti bzw. an den 30.000 Toten Bootsflüchtlingen im Mittelmeer. Franziskus versuche - etwa mit dem Besuch in Lampedusa - dieses Schweigen aufzubrechen. „Er sagt in Worten und Zeichen, dass das Wichtigste das Mitleiden mit denen ist, die von Unrecht und Schlägen betroffen sind", sagte Sobrino.

Der Papst habe auch den Mut, „offener zu sagen als andere", dass inmitten der Kirche wirkliche Sünde existiere. Er wisse, dass diese Aussage „nicht dazu führt, dass die Kirche zusammenstürzt", betonte Sobrino. Schließlich gelinge es Franziskus zu vermitteln, „dass es in dieser Welt überall eine tiefe Liebe Gottes gibt", und dass sie bei vielen Menschen ankommt. Sobrino wandte sich ausdrücklich gegen Zuordnungen wie „Bekenntnis zur Befreiungstheologie". Das sei überholt, es gehe um eine christliche Praxis im Einsatz für die Armen. Ob das in der Kirche unter Franziskus stärker sein werde als in den 1970er- und 1980er-Jahren, sei offen, liege aber nicht am Papst.

Vor 30, 40 Jahren sei Theologie der Befreiung primär eine Praxis gewesen, die „Tausende Märtyrer" hervorgebracht habe. "Diese Praxis hat sich, so wie Jesus von Nazareth, mit den Feinden der Armen angelegt. Deswegen wurde Jesus getötet, deswegen wurden Ordensleute, Priester, Bischöfe und Gläubige getötet", sagte der spanische Jesuit. Heute könne im Gegensatz zu früher in allen Seminaren Theologie der Befreiung gelehrt werden. „Das Entscheidende ist aber nicht das, sondern ob die christlichen Kirchen diese Liebe zu den Armen leben."

(Radio Stephansdom, 28.02.2014 gs)








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