Am Samstag hat er
von Papst Franziskus den roten Kardinalshut empfangen, drei Tage später stellt Kardinal
Gerhard Ludwig Müller sein neustes Buch vor: Mit Papst Franziskus im Vorspann. „Wenn
man ihr richtig begegnet, kann sich Armut in Reichtum verwandeln“, verspricht der
Papst im Vorwort zu „Armut: Herausforderung für den Glauben“, dem neuen Buch des Präfekten
der vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre. Neu ist das Thema für Kardinal
Müller aber nicht. Seit den späten 80er Jahren reist er jeden Sommer als Seelsorger
in die Armenviertel Limas.
Gemeinsam mit dem langjährigen Hauptgeschäftsführer
von Misereor, Josef Sayer, verantwortet er außerdem seit 16 Jahren ganz konkrete Entwicklungshilfeprojekte
in den Hochebenen Perus. Bisher unveröffentlichte, persönliche Erfahrungen sind in
dem Buch niedergeschrieben, das im italienischen Untertitel mit „povera per i poveri“,
also „arm für die Armen“ eine arme Kirche verspricht. Kardinal Müller wies im Gespräch
mit Radio Vatikan darauf hin, dass diese „arme Kirche“ nicht als ökonomisch arm missverstanden
werden darf. Materielle Reichtümer seien Mittel und nicht Zweck:
„Die arme
Kirche kann nicht darin bestehen, um unsere Sendung auszuführen, das wäre unmöglich.
Aber arm – wir wissen, der Reichtum ist ja eigentlich die Gnade Gottes, die Mission,
die uns aufgetragen worden ist, und die Kirche vertraut nicht auf die materiellen
Güter, die sie zur Erfüllung ihrer Sendung braucht, das sind nur Mittel zum Zweck.
Aber der eigentliche Reichtum der Kirche besteht da im Evangelium in Jesus Christus,
in der Gnade, in den Sakramenten, in der frohen Botschaft, dass Gott es mit uns gut
meint und dass es auch gut ausgehen wird mit uns.“
Einer der Mitbegründer
der Theologie der Befreiung, der Dominikanerpater Gustavo Gutiérrez, trägt mit Gedanken
zur tieferen Bedeutung von „Armut“ zu Müllers Buch bei. Der Peruaner und der gebürtige
Rheinländer sind seit Jahrzehnten befreundet. Mit Gutiérrez‘ „Option für die Armen“
hat Müller sich intensiv auseinandergesetzt. „Vor Gott sind wir alle arm“, sagt Müller:
Das ist für ihn Ausgangspunkt in der Diskussion um Reichtum und Armut:
„Wir
wissen, wir sind auf Gott angewiesen, wir hängen von ihm ab. Aber das ist nicht eine
Abhängigkeit, die uns unterdrückt und uns demütig macht, sondern es ist die Bezogenheit
des Geschöpfes auf Gott, das in Gott auch seine Erfüllung findet in der persönlichen,
der personalen Liebe, zu ihm. Dem Geliebt-werden zu ihm. Das hilft uns auch, die Schranken,
die zwischen den Menschen bestehen – was materielle Güter angeht oder falsche Einstellungen
wie Rassismus oder falsche Zielsetzungen wie Materialismus und bloßen Geldgewinn –
diese falschen Haltungen auch zu überwinden.“
In seinem Buch würden neben
ganz konkreten Themen auch konkrete Lösungen vorgestellt, so Müller. Ein „Handbuch
der Armut“ für die Weltkirche also.
„Beispiele bestehen ja auch im Thema
der sozialen Gerechtigkeit, im Ausgleich. Es ist aber auchwichtig zu betonen:
Es geht nicht nur um die Veränderung der Strukturen, der ökonomischen, der politischen
Strukturen, sondern um die Änderung der Mentalität. Und da hat die Kirche eine hohe
moralische Autorität unter allen führenden Persönlichkeiten der Welt. Im politischen
Leben hat auch der Papst die höchste Autorität, weil er eben nicht irgendwelche sekundären
Zielsetzungen hat – Geld, politische Macht oder andere Dinge – sondern weil er einfach
das Evangelium verkündet und auch für die Würde des Menschen einsteht.“
„Nun,
Freunde und Leser, wisst, dass ihr mich auf diesem Weg (der Armut) ab sofort an eurer
Seite findet, als Bruder und Weggefährten“, schließt der Papst sein Vorwort zu der
Müller-Publikation – für den Kardinal aus Deutschland eine dankbare Verstärkung in
seinem Kampf für die Rechte der Armen.
„Das Thema war vorher auch schon
da, aber dadurch, dass Papst Franziskus aus Lateinamerika kommt, kommt die ganze Brisanz
auch noch einmal in die Weltkirche hinein. Ein Kapitel heißt ja auch: ,Von Lateinamerika
in die Weltkirche‘, um deutlich zu machen: Es gibt keine Peripherie, nicht kulturell,
nicht ökonomisch, oder ein europäisch-amerikanisches Zentrum, sondern überall wo Menschen
leben, wo Menschen an Christus glauben, ist Kirche missionarisch auch tätig.“
Müller
bezieht mit seinem neuen Buch „Armut: Herausforderung für den Glauben“ deutlich Stellung.
Für klare Statements ist der 66-Jährige bekannt. Sein Nein zum Priestertum der Frau
oder sein Ja zum Zölibat scheinen Kritikern unvereinbar mit der Bescheidenheit, die
der Präfekt der Glaubenskongregation an den Tag legt. Persönliche neue Konsequenzen
habe sein Appell „arm für die Armen“ für ihn nicht, sagt Müller auf Nachfrage von
Radio Vatikan:
„Na ja, im privaten Lebensstil verändert sich nichts. Da
ich vorher auch schon nicht versucht habe oder gemeint habe luxuriös leben zu müssen.
Das ist einfach ein allgemeiner Standard, aber ich glaube in dem Amt, in dem man ist,
überhaupt wenn man Geistlicher geworden ist, hat man eigentlich nicht das Ziel, irdische
Reichtümer zu sammeln, sondern eben im Dienst am Reich Gottes zu sein.“