50 Jahre Liturgiereform: Über Formen lässt sich streiten, nicht über die Essenz
Vor 50 Jahren brachten
die Konzilsväter eine weitreichende Reform auf den Weg: die Liturgiereform, eine Rundumerneuerung
des katholischen Gottesdienstes mit all seinen Riten und Ordnungen bis hin zu Kirchenmusik
und Sakralkunst. Am 4. Dezember 1963 wurde die Liturgiekonstitution „Sacrosanctum
Concilium“ mit überwältigender Mehrheit angenommen und von Papst Paul VI. abgesegnet.
Eine Tagung an der Lateranuniversität in Rom gedenkt der Reform in diesen Tagen als
einer Wegbereiterin kirchlicher Einheit - so war etwa die „bewusste, tätige und leicht
zu vollziehende Teilnahme der Gläubigen“ am Gottesdienst oberstes Anliegen der Reform.
Der vatikanische Staatssekretär predigte am Mittwoch zum Thema in einer Messe im Petersdom.
Ausgehend von der Konstitution „Sacrosanctum Concilium“ hob Pietro Parolin
die Liturgiereform als „Quelle“ und „Höhepunkt“ kirchlichen Lebens hervor. Er betonte,
dass die „Einfachheit der Zeichen“ innerhalb des liturgischen Ritus und die „übermenschliche
Reichweite ihrer Wirkungen“ in einem eigentümlichen Gegensatz stünden – dies überrasche
uns immer wieder aufs Neue, so Pietro Parolin in seiner Predigt:
„Man würde
fast sagen, dass der Herr uns in einem entwaffnend normalen Kontext treffen, heilen
und erneuern, in der Alltäglichkeit unserer Existenz erreichen und verändern will
– so wie er die zwölf Apostel erwählte und sie von ihren täglichen Aufgaben zu sich
rief und sie in den Horizont der Nachfolge und des Auftrages stellte.“
Als
„echtes Geschenk für die Kirche“ bezeichnet die Liturgiereform der Untersekretär der
Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung. Die Erneuerung habe
die Liturgie „dem ganzen Volk Gottes näher gebracht“ und die christliche Spiritualität
neu genährt, sagte Juan Miguel Ferrer Grenesche im Gespräch mit Radio Vatikan. Außerdem
habe sie die „Spiritualität der Gemeinschaft“ gestärkt, so Ferrer mit Bezug auf einen
durch Johannes Paul II. geprägten Begriff.
„Die Liturgie ist die Schule
dieser Spiritualität der Gemeinschaft, die Liturgie lässt uns verstehen, dass Gott
im Zentrum von allem steht und dass die Gemeinschaft sich in der Begegnung aller herstellt,
die die Gaben Gottes empfangen: die Gabe Seines Wortes, Seines Sakramentes, die Gabe,
dass Er sich selbst zum Mittler dieser sakramentalen Wirklichkeiten macht.“
Von
Einheit zeugt die innerkirchliche Diskussion um Fragen der Liturgie freilich nicht
immer. So war der Streit um die tridentinische Messe mit der Rehabilitation der Liturgie
von 1962 durch Benedikt XVI. neu entflammt. Franziskus‘ Vorgänger hatte diese Liturgieform
als Sonderform des gepflegten Römischen Ritus anerkannt und ihren Gebrauch erlaubt
– wohlgemerkt unter bestimmten Bedingungen. Zu den fortbestehenden Diskussionen um
die Liturgie in der katholischen Kirche merkt Ferrer an:
„Es ist in Ordnung
zu diskutieren, um die Wahrheit zu suchen, wenn man dabei immer die Natur der Dinge
respektiert. Wenn man die Liturgie in ihrer Natur vertieft, versteht man, wie viele
kirchliche Diskussionen Dinge der freien Meinungsäußerung betreffen, wo unterschiedliche
Sensibilitäten und spirituelle Verhaltensweisen ins Spiel kommen. Die Kirche hat ja
in der Einheit des zelebrierten Mysteriums immer die Verschiedenheit der Formen akzeptiert.
Alle müssen wissen, dass sie hinter der Form – die sie als Weg praktizieren, um zum
Herrn zu gelangen – doch hauptsächlich mit dem Mysterium, mit dem Herrn, der uns Sein
Leben anbietet, zu tun haben.“
Mit anderen Worten: Über Formen lässt sich
streiten, nicht über die Essenz, erinnert der Untersekretär der Gottesdienstkongregation.
Dass die Umsetzung der Liturgiereform noch lange nicht beendet ist, betont der Präfekt
der Gottesdienstkongregation, Kardinal Antonio Canizares Llovera. Er schreibt im Begleittext
zur Tagung, es sei eine dringende Aufgabe für die Kirche, die „vom Zweiten Vatikanischen
Konzil gewollte liturgische Erneuerung weiterzuführen und zu vertiefen“: „Viel ist
geschehen, doch viel gibt es noch zu tun“, so der Kardinal.
Insgesamt wurden
im Rahmen der Reform liturgische Riten vereinfacht und mehr Mitgestaltung im Gottesdienst
durch das Kirchenvolk gewünscht. Dabei sollten ältere Traditionen aufgewertet und
der römische Ritus zugleich pastoraler und kommunikativer vermittelt werden. Dazu
gehörte etwa, dass man Bibeltexten im Gottesdienst mehr Raum einräumte, dass sich
der Priester dem Volk zuwandte und dass die Liturgie in der jeweiligen Muttersprache
der Gläubigen zugänglich gemacht wurde.