Es gibt einen Konsumklima-Index, es gibt einen Geschäftsklima-Index, Wissenschaftler
können auf diese Weise messen, wie es einem Land geht. Die katholische Universität
Eichstätt versucht es jetzt mit einem Sozialklima-Index, von Medien gleich Gerechtigkeits-Barometer
genannt, eine Bezeichnung, die dem Sprecher der Arbeitskreises hinter dem Projekt,
Stefan Schieren, gar nicht gefällt.
„Wir haben das Ganze zunächst Sozialstaats-TÜV
und dann im weiteren Verlauf der Beratungen Sozialklimaindex genannt, weil wir gar
nicht vorhaben, Gerechtigkeit zu messen, auch überhaupt ein Gerechtigkeits-Barometer
zu erstellen. Die Absicht, die schon mit dem Begriff Sozialklimaindex transportiert
werden soll, ist vielmehr, im Vergleich zum Geschäftsklima-Index die soziale Lage
einer ganz bestimmten Gruppe, nämlich der Ärmsten in der Gesellschaft, zu messen und
zu schauen, wie diese Lage sich im Vergleich zum vorhergehenden Zeitraum geändert
hat.“
Das ist aus Ihrer Universität heraus gewachsen; wie kommen Sie dazu,
dieses Instrument zu entwickeln?
„Die Idee ist gar nicht so neu. Im Jahr
2003 hat die Deutsche Bischofskonferenz ein Papier mit dem Titel „Das Soziale neu
denken“ vorgelegt, und darin sagen die Wissenschaftler, die es im Auftrag der Deutschen
Bischofskonferenz erstellt haben, dass ihnen schon aufgefallen ist, dass es viele
Wirtschaftsforschungsinstitute gibt, die eine ganze Reihe von Prognosen zur Wirtschaftsentwicklung
vorlegen, aber so etwas wie einen Sozialstaats-TÜV, den gebe es nicht. Vor dem Hintergrund
dieses Papiers ist hier eine kleine Arbeitsgruppe entstanden.“
Diese Geschäfts-
oder Konsumklima-Indizes leben von Kennziffern – was ziehen Sie an Informationen heran?
„Wir
möchten die sehr, sehr umfangreichen Daten nutzen, die vor allem bei den Wohlfahrtsverbänden,
bei den Trägern und bei den Einrichtungen, liegen. Dort werden in tausendfacher Weise
Gespräche geführt, Beratungen geführt, und dort vor Ort können die Berater relativ
rasch sehen: Wohin geht die Entwicklung in der Schuldenberatung, in der Drogenberatung,
wie entwickelt sich die Situation für ganz bestimmte Gruppen in ganz bestimmten Regionen…
Und das ist ja genau unsere Klientel bzw. unsere Zielgruppe. Mit diesen Daten können
wir eine sehr, sehr aktuelle Entwicklung abbilden und müssen nicht darauf warten,
was die Sozialstatistik uns nach zwei bis drei Jahren Zeitverzug sagt, inwiefern sich
die Lage geändert hat. Dieser Zeitverzug von zwei bis drei Jahren ist auch gerade
in der Sozialpolitik eine lange Zeit, und unsere Hoffnung ist, dass wir mit diesem
Sozialklima-Index ein prognostisches Instrument entwickeln, das vor allen Dingen der
Politik, aber auch den Wohlfahrtsverbänden ein Bild davon gibt, wie die Entwicklung
in den nächsten sechs, zwölf Monaten auf einem bestimmten Gebiet in einer bestimmten
Region für eine bestimmte Zielgruppe ist, um auch politisch agieren und reagieren
zu können.“
Das Ganze ist also nicht rein wissenschaftlich, sondern durchaus
auch praktisch gemeint?
„Ja, auf jeden Fall. Das ist ein ganz praktisches
Instrument. Natürlich soll es wissenschaftlich blitzsauber konzipiert werden, aber
wir möchten damit durchaus auch die Politik und die Akteure der Sozialpolitik adressieren
und ihnen ein Instrument in die Hand geben, um ihre Instrumente entweder zu schärfen
oder aber auch neu zu orientieren.“