2014-02-15 08:44:19

Spanien: Streit um Abtreibungsrecht


RealAudioMP3 Geheime Abstimmung im Parlament von Madrid, am Dienstag dieser Woche: Die mit einer komfortablen Mehrheit regierende Volkspartei schmettert einen Antrag der Opposition ab. Die Sozialisten hatten versucht, die umstrittene Neufassung des Abtreibungsgesetzes zu stoppen. „Der Antrag wird zurückgewiesen.“ Das ist vor allem ein Sieg für den Justizminister, Alberto Ruiz Gallardón: „Sie haben hier keine Mehrheit“, sagt er, „Sie haben die letzte Wahl verloren, Sie machen auf Blockade.“ „Sie hören auf niemanden“, schimpft eine sozialistische Abgeordnete der „Cortes“ zurück, „Sie sind arrogant und geben nichts auf die Leiden der Frauen!“

Es ist wieder wie zur Zeit der sozialistischen Regierung von José Luis Rodríguez Zapatero, nur genau andersherum: Spanien wird wieder von kulturkämpferischen Debatten zerrissen, nur sind es diesmal die Konservativen von der Volkspartei, die Zapateros liberale Revolution zurücknehmen. Spaniens Abtreibungsgesetz soll, wie das eher links orientierte „El Pais“ schreibt, zum „restriktivsten von ganz Europa“ werden, und dafür steht Gallardón, mehr noch als Ministerpräsident Mariano Rajoy.

„Unsere Reform geht von zwei Voraussetzungen aus“, sagt der Justizminister: „Das Recht auf Abtreibung“, wie es 2010 unter Zapatero eingeführt worden war, „wird abgeschafft. Abtreibung bleibt erstens möglich, wenn die Gefahr einer schweren und dauerhaften Beeinträchtigung der physischen oder psychischen Gesundheit der Frau bzw. Lebensgefahr für sie besteht. Und zweitens, wenn die Frau Opfer einer Vergewaltigung wurde… Künftig wird es nicht mehr möglich sein, dass das Leben eines Kindes ausschließlich vom Willen der schwangeren Mutter abhängt!“

Bei Gefahr für die Gesundheit der Mutter soll binnen 22 Wochen abgetrieben werden dürfen; zwei Ärzte müssen dazu Gutachten erstellen, und die Frau muss ihre Entscheidung zur Abtreibung eine Woche lang überdenken. Nach einer Vergewaltigung liegt die Frist zur erlaubten Abtreibung bei 12 Wochen, außerdem muss die Frau die Vergewaltigung auch zur Anzeige gebracht haben. Abtreibungskliniken werden für ihre Dienstleistungen künftig nicht mehr werben dürfen, und Minderjährige müssen wieder ihre Eltern oder Tutoren von ihrem Abtreibungswunsch in Kenntnis setzen, das hatte Zapatero einst abgeschafft. Aber Justizminister Gallardón betont auch: „In keinem Fall wird es irgendein Strafverfahren gegen die Mutter geben. Es gibt keinerlei Strafe, weder Haft- noch Geldstrafe, anders als beim jetzigen Gesetz. Es ist das erste Mal in der spanischen Geschichte, dass für die Frau Straffreiheit herrscht, das ist ein echter historischer Fortschritt.“

Tausende von Menschen haben in den letzten Wochen in Städten wie Madrid und Barcelona gegen die Pläne der regierenden Volkspartei demonstriert. Auch eine Ministerin aus Frankreich, derzeit Gralshüter sozialistischer Gesellschaftspolitik, äußerte sich empört. Spanische Medien berichten an prominenter Stelle von jungen Frauen, die abgetrieben haben, wie Virginia: „Mit viel Leiden, viel Schmerz haben wir uns entschieden, das Kind nicht zu bekommen“, berichtet sie, „und zwar vor allem wegen der geringen Hilfe, die der Staat mir geben würde, wenn ich es behielte.“ Hintergrund ist die schwere Wirtschaftskrise, die Spanien weiter in ihren Klauen hält. Virginias Freund hat mit ihr Schluss gemacht, und sie ist arbeitslos – wie etwa ein Viertel aller Spanierinnen, die abtreiben. „Ständig werden die Hilfen weiter gekürzt“, sagt sie, „darauf kann man sich doch überhaupt nicht verlassen.“

Mehr als 118.000 Frauen haben 2011 – das Jahr, aus dem die aktuellsten Zahlen stammen – ihre Schwangerschaft in den ersten 14 Wochen abgebrochen, meist ohne Angabe von Gründen; das ist nach bisheriger Gesetzeslage möglich. Mit dem neuen Gesetz – im wesentlichen eine Rückkehr zur Rechtslage von 1985 bis 2010 – würde die Zahl der Abtreibungen drastisch sinken. Die Kirche begrüßt die Pläne der Regierung Rajoy; immer wieder vergeblich hatte sie zu Zapateros Zeiten Demos für den Lebensschutz im Zentrum von Madrid organisiert, jetzt dreht sich der Wind wieder.

Ein Beitrag von Stefan Kempis mit Audio-Material von „El País“. Unser Foto zeit Justizminister Gallardón.

(rv/efe/el pais 15.02.2014 sk)








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