Frauen könnten nach Ansicht von Erzbischof Gerhard Ludwig Müller künftig im Vatikan
auch bestimmte Spitzenämter übernehmen. Es sei zwar nicht möglich, dass Frauen Kongregationen
leiteten, „aber in päpstlichen Räten könnte man sich das durchaus vorstellen“, sagte
Müller am Mittwoch im Interview mit der Katholischen Nachrichtenagentur in Rom. Zugleich
hob Müller hervor, dass das Fällen juristisch verbindliche Entscheidungen in der katholischen
Kirche an die Priesterweihe gebunden sei und daher nicht von Laien versehen werden
könne.
Die sogenannten Kongregationen sind vatikanische Ministerien für die
kirchlichen Kernaufgaben. Sie sind etwa für den Klerus, die Bischöfe oder die Glaubenslehre
zuständig. Päpstliche Räte sind ebenfalls eine Art Ministerium. Sie haben jedoch im
Unterschied zu Kongregation in der Regel keine rechtsprechende Kompetenz. Sie sind
in erster Linie Förderorgane.
Neben den Räten für Familie und die Seelsorge
im Krankendienst gibt es etwa Räte für die Ökumene, den interreligiösen Dialog und
die Laien. Bisher gibt es Frauen weder im Amt des Präsidenten, noch als Sekretäre
oder Untersekretäre eines Rates. Auch im Bereich der theologischen Forschung, des
Unterrichts und der Beratung oder auf dem Gebiet der Caritas könnten Frauen in verantwortlicher
Position tätig sein, so der Erzbischof. Müller wandte sich allerdings gegen die Einführung
einer festen Quote. Es könne nicht darum gehen, „um jeden Preis Laien und Frauen aufzunehmen“.
Im
selben Interview verwahrte sich der Präfekt der vatikanischen Glaubenskongregation,
als „konservativer Gegenspieler“ von Papst Franziskus bezeichnet zu werden. Dies stimme
ebenso wenig wie die Gegenüberstellung „charismatischer Papst und sein dogmatischer
Glaubenswächter“, sagte der designierte Kardinal. Das Verhältnis des Papstes zu ihm
beschrieb Müller als „mitbrüderlich, väterlich, ja herzlich“. Die regelmäßigen Begegnungen
mit dem Papst seien unkompliziert, sagte Müller weiter. Man unterhalte sich zwei bis
dreimal im Monat auf Italienisch und Spanisch, so der Erzbischof. Der Papst habe wiederholt
sein Vertrauen in die Arbeit der Glaubenskongregation bekundet.
Müller wies
zugleich Spekulationen zurück, Franziskus stehe möglicherweise in einigen moralischen
Fragen nicht voll hinter der katholischen Lehre. Seine Lehre „umfasst und enthält
den gesamten katholischen Glauben“, so der Präfekt der Glaubenskongregation.
Aussöhnung
mit Piusbrüdern möglich Eine römische Aussöhnung mit der traditionalistischen
Piusbruderschaft hält Erzbischof Müller weiter für möglich. Die Glaubenskongregation
habe eine klare dogmatische Präambel verfasst und vorgelegt. „Diese Tür steht offen,
wir schließen sie nicht“, so Müller. Es gebe jedoch auch „kein Hintertürchen“. Die
Glaubenskongregation begleite die Einigungsbemühungen „mit Geduld und Festigkeit“,
wie es ihr Papst Franziskus aufgetragen habe.
Seit Ende 2009 gab es im Vatikan
mehrere Gesprächsrunden mit Vertretern der Bruderschaft über strittige Lehrfragen.
Im September 2011 legte der Vatikan der Leitung der Piusbrüder eine „Lehrmäßige Erklärung“
über grundlegende Glaubenslehren der katholischen Kirche zur Unterzeichnung vor, von
der eine mögliche Wiedereingliederung der Bruderschaft in die katholische Kirche abhängt.
Seit Frühjahr 2012 ist der Prozess zum Stillstand gekommen.