Einmal ist immer das erste Mal: Als Benedikt XVI. vor einem Jahr seinen Amtsverzicht
bekannt gibt, schreibt er vielen Kirchenleuten damit ein Fragezeichen auf die Stirn:
„Was tun?“ Auch in der katholischen Kirche gilt: Learning by Doing. Wie so ein Amtsverzicht
geht, hat die Kirche in den zweieinhalb Wochen nach dem 11. Februar erlebt.
Der
Countdown läuft Nach der Verzichtsankündigung: 16 Tage Zeit, um die Sedisvakanz
vorzubereiten. Deutsche Medien titeln von der „Entzauberung des Papstamtes“, Vatikansprecher
Pater Federico Lombardi redet nüchtern von einem „Regierungsakt“ und bestätigt bis
zum öffentlichen Amtsverzicht alle Termine des Noch-Papstes, mit Ausnahme der Woche
der Fastenexerzitien für die Kurie. Staatspräsidenten, Politiker und Gläubige ziehen
den Hut vor dem alten Bayer in Rom. Der Dalai Lama gibt zu, „ein bisschen traurig“
zu sein.
Die Aschermittwochsmesse wird zwei Tage nach dem 11. Februar zu Benedikts
letzter, großer öffentlichen Messe als Papst. Er mahnt die Kirche noch einmal zur
„Selbstreinigung“. Elf Tage nach der Verzichts-Ankündigung weiß man: Der Alt-Papst
in spe wird weiterhin „Seine Heiligkeit“ heißen. Wohnen wird er gemeinsam mit seinem
Privatsekretär Georg Gänswein im ehemaligen Klausurkloster Mater Ecclesiae in den
Vatikanischen Gärten.
In der Zwischenzeit beantragt die Stadt Rom 4,5 Millionen
Euro Hilfen beim Staat: Denn das „außerordentliche Ereignis“ verlange „außerordentliche
Ressourcen und Mittel“, wie Bürgermeister Gianni Alemanno der Regierung erklärt. Am
28. Februar, dem letzten Tag Benedikts als Papst, wird es voll. Auch Castel Gandolfo
rüstet auf: Hier soll der emeritierte Papst während der Sedisvakanz wohnen.
Die
letzten Amtshandlungen Benedikts Der Noch-Papst trifft sich bis dahin mit
dem Staatspräsidenten von Guatemala, er empfängt den damaligen Regierungschef Italiens,
Mario Monti, genauso wie Giorgio Napolitano.
Er erlässt Änderungen im vatikanischen
Staatssekretariat und schickt einen Sekretär als neuen Apostolischen Nuntius von Rom
nach Südamerika. Fünf Tage vor seinem Verzicht schafft Benedikt noch eine neue Diözese
im Kongo. Zwei Tage später veröffentlicht er ein Motu Proprio: In dem apostolischen
Schreiben erteilt er dem Kardinalskollegium die Erlaubnis, mit dem Konklave schon
zu beginnen, wenn alle Kardinäle in Rom sind. Eine einfache 2/3 Mehrheit soll zur
Papstwahl reichen und auf eine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht steht ab jetzt
die Exkommunikation.
„Ich verlasse die Kirche nicht“ beteuert Benedikt nach
seinem letzten Angelusgebet vor 20.000 Gläubigen. In seiner letzten Generalaudienz,
am 27. Februar, einen Tag vor dem Verzicht, haben sich 150.000 Gläubige auf dem Petersplatz
versammelt. „Die Kirche lebt“,sagt Benedikt und„Ich fühle mich nicht
allein“. Am gleichen Tag geht der Besucher-Marathon im Apostolischen Palast in den
Endspurt: Kurz vor knapp empfängt Benedikt noch Horst Seehofer, den Präsidenten der
Slowakei, die Regenten von San Marino, den römischen Bürgermeister und enge Freunde.
Ein
Papst geht in den Ruhestand Am 28. Februar ist es dann soweit: Der Twitter-Account
„@Pontifex“ verstummt, aus Papst Benedikt wird Alt-Papst Benedikt. Alle Kirchenglocken
in Rom läuten, weltweit finden zahlreiche Dankesgottesdienste statt, in Portugal kleben
fast eine halbe Million Papstbilder an den Fensterscheiben. Im Hubschrauber fliegt
Benedikt nun Richtung Castel Gandolfo.
Achja, an seinem letzten Sonntag als
Papst hat Benedikt noch eine letzte Ernennung vorgenommen: Für die vatikanische Lateinamerika-Kommission
wollte er Verstärkung haben. Darum ernannte er den Erzbischof von Buenos Aires, Jorge
Mario Bergoglio, zum neuen Ratsmitglied. Viel Zeit blieb dem allerdings nicht, um
sein neues Amt auszuführen, denn er ging aus dem Konklave als neuer Papst hervor.
Ob Benedikt wohl damals schon geahnt hat, dass er dem Argentinier viel mehr als nur
einen Platz in der Lateinamerika-Kommission hinterlassen würde?