2014-02-10 16:13:54

Nachtgedanken eines Amtsmüden


RealAudioMP3 Vor einem Jahr, am 11. Februar 2013, schlug der Blitz in St. Peter ein: Benedikt XVI. kündigte seinen Amtsverzicht an. Unvermittelt, so kam es vielen vor. Oder hatte es doch, hier und da, Vorzeichen für den Amtsverzicht gegeben? Und was ist dem Papst in den Tagen unmittelbar vor dem Verzicht eigentlich durch den Kopf gegangen?

8. Februar 2013. Der Papst besucht, wie jedes Jahr, das Priesterseminar seines Bistums Rom. „Tu es Petrus“, singen die Priesteramtskandidaten: Du bist Petrus. Ja – noch, mag Benedikt da gedacht haben, denn sein Entschluss, sich vom Petrusdienst zurückzuziehen, steht in diesem Moment schon fest. Dass ein Papst aus seiner Sicht durchaus zurücktreten könne, hat er schon Ende 2010 im Interviewbuch „Licht der Welt“ klargemacht. Und den Auguren kann es Anfang 2013 auffallen, dass der Vatikan für dieses Jahr überhaupt keine Papstreisen geplant hat, mit Ausnahme des Pflichttermins Weltjugendtag von Rio. Trotzdem, eigentlich niemand rechnet in diesem Moment wirklich mit einem Papst-Rücktritt. Nur Benedikt XVI., der ist an diesem Abend in der Seminarskapelle schon fest dazu entschlossen.

Aus dem Stegreif formuliert der Papst eine Betrachtung, die um einen Ausschnitt aus dem Ersten Petrusbrief kreist. Diese frei gehaltene Ansprache ist der einzige Text, der uns Aufschluss über Benedikts Gedanken sechzig Stunden vor der Rücktrittsankündigung gibt. Benedikt XVI. zeichnet hier eine Art Porträt seines ersten Vorgängers auf dem Stuhl des römischen Bischofs: Petrus spreche in diesem Brief nicht für sich selbst, sondern aus dem Glauben der ganzen Kirche heraus. „Nicht als individualistische Geistesgröße“, sondern mit Hilfe des Schreibers Silvanus, der ja auch namentlich genannt werde. Aber woran wird, so fragt Benedikt, der heilige Petrus eigentlich gedacht haben, als er nach seiner Flucht aus Jerusalem nach Rom ging?

„Gehen, wohin du nicht willst“

„Sicher hat er sich da an die letzten Worte erinnert, die Jesus an ihn gerichtet hat und die vom hl. Johannes wiedergegeben werden: „Am Ende wirst du gehen, wohin du nicht willst. Man wird dich gürten, deine Hände ausstrecken“ (vgl. Joh 21,18). Es ist eine Prophezeiung der Kreuzigung. Die Philologen zeigen uns, dass „die Hände ausstrecken“ ein präziser, technischer Ausdruck für die Kreuzigung ist. Der hl. Petrus wusste, dass sein Ende das Martyrium, das Kreuz sein würde. Und so wird er in der vollkommenen Nachfolge Christi stehen. Als er nach Rom ging, ist er gewiss auch zum Martyrium gegangen: In Babylon (so wird Rom im Ersten Petrusbrief genannt) erwartete ihn das Martyrium.“

Der Petrusdienst hat „auch einen martyrologischen Inhalt“: Darum kreisen die Worte des Papstes wenige Stunden, bevor er auf diesen Dienst verzichten wird. „Von Anfang an ist Rom auch Ort des Martyriums. Indem er nach Rom geht, nimmt Petrus dieses Wort des Herrn erneut an: Er geht auf das Kreuz zu, und er lädt auch uns ein, den martyrologischen Aspekt des Christentums anzunehmen“.

Niemand könne Christ sein, „ohne dem Gekreuzigten nachzufolgen, ohne auch das martyrologische Moment anzunehmen“, so Benedikt XVI an diesem Abend. Ein paar Tage später – da hat er schon seinen Rücktritt angekündigt – haben manche in der Kirche das Gefühl, der Papst wolle hinwerfen, weil er vor den Härten und Schwierigkeiten seines Amtes kapituliere. „Man kann doch nicht vom Kreuz herabsteigen“, mit diesen bitteren Worten wird der Krakauer Erzbischof, Kardinal Dziwisz, zitiert. Benedikt dagegen wird mehrmals dagegenhalten, dass er sich zwar aus dem aktiven Petrusdienst zurückziehe, nicht aber vor dem Unangenehmen, dem „Martyrologischen“ fliehe. Bei seiner letzten Generalaudienz am 27. Februar bekräftigt Benedikt:


„Ich kehre nicht ins private Leben zurück... Ich gehe nicht vom Kreuz weg, sondern bleibe auf neue Weise beim gekreuzigten Herrn. Ich trage nicht mehr die amtliche Vollmacht für die Leitung der Kirche, aber im Dienst des Gebetes bleibe ich sozusagen im engeren Bereich des heiligen Petrus.“

„Wir sind Erben“

Keine Flucht vor dem „martyrologischen Aspekt“ – das ist der eine Unterton, der sich aus Benedikts letzter Stegreifrede vor der Rücktrittsankündigung heraushören lässt. Der andere ist: Dankbarkeit.

„Gott hat mich als Christen, als Katholiken gewollt, er hat mich als Priester gewollt. Gott hat an mich gedacht, er hat mich unter Millionen, unter so vielen gesucht, er hat mich gesehen und hat mich auserwählt... „Auserwählt“: Wir müssen für diese Tatsache dankbar sein und uns darüber freuen. Gott hat an mich gedacht, er hat mich als Katholiken, als Träger seines Evangeliums, als Priester auserwählt.“

„Wir sind Erben“, fährt Benedikt fort, und das bedeute, dass Christen „die Zukunft haben“. „Die Zukunft gehört uns, die Zukunft gehört Gott. Und so wissen wir als Christen, dass die Zukunft uns gehört und der Baum der Kirche kein sterbender Baum ist, sondern der Baum, der immer wieder neu wächst.“

Das ist am Freitagabend. Montagmittag kündigt der Papst dann seinen Rücktritt an.

(rv 11.02.2014 sk)








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