2014-02-09 11:25:22

Klöster und Stifte: Zwischen Auslaufmodell und Dauerbrenner


RealAudioMP3 Brauchen wir heute überhaupt noch Klöster und Stifte? Eine Frage, die sich das Stift Klosterneuburg in Niederösterreich anlässlich des 900-jährigen Bestehens gestellt hat. Das Kloster der Augustiner Chorherren ist nicht nur für seinen Wein bekannt - es ist das älteste private Weingut Österreichs - sondern auch für seine Kunst und sein Museum. Marion Sendker berichtet.

Sie sind Wirtschaftsunternehmen, Kulturzeugen, Zufluchtsort und Gesprächspartner: Stifte und Klöster prägen die europäische Entwicklung seit über 1600 Jahren. Rechtlich eigenständig und frei von staatlichen Konventionen sind sie Vorbild für menschliches Zusammenleben. Trotzdem haben Stifte und Klöster es zunehmend schwer: Der Nachwuchs fehlt und der Zuspruch aus der Bevölkerung manchmal auch. Das ist bemerkenswert, denn Stifte und Klöster bieten das, wonach sich die schnelle Gesellschaft sehnt: Ruhe.

„Eine Hauptfunktion der Klöster ist die Rückzugsmöglichkeit: Nicht im Sinne einer Weltflucht, sondern im Sinne einer Besinnung auf die bleibenden Werte, und dass es neben der vergänglichen Welt auch noch eine andere Welt gibt. Das ist es, was manche stört: Sie wollen, dass es nur diese materielle Welt gibt und dass dann alles zu Ende ist - und da gibt es die Klöster und die Kirchen, die die Menschen an ihre Endlichkeit erinnern.“

Das sagte der Sozialphilosoph an der Uni Wien, Norbert Leser, auf einer Podiumsdiskussion im feiernden Klosterneuburg zur Frage nach der Zukunft von Stiften und Klöstern.

Auf derselben Podiumsdiskussion findet die Historikerin Elisabeth Vavra, dass vieles aus der klösterlichen Ordnung die Menschen heutzutage interessiere. Sogar für das Gelübde:

„Wenn man ins Kloster eintritt, verzichtet man auf den gesamten Besitz und hat alles gemeinsam. Wenn es heute Fahrgemeinschaften gibt und man das als „neues Ding“ propagiert, ist das ja faktisch etwas, was ein Kloster schon längst vorlebt. Das sind alles Dinge, die im Kloster vorgelebt werden. Der große Fehler, den diejenigen außerhalb der Klostergemeinschaft machen, ist, dass sie immer vergessen, dass die Menschen im Kloster keine Heiligen sind, sondern Menschen.“
Menschlich solle es darum auch in der Klostergemeinschaft zugehen: Der Abtprimas der Augustiner Chorherren und Probst von Klosterneuburg, Bernhard Backovsky, fordert einen „lebendigen“ Konvent:

„Wer eintritt, der muss damit rechnen, dass er unter den Menschen ist. Einfach mit Freundlichkeit und Gruß. Und das, denke ich, kann den lebendigen Konvent ausmachen und das soll ihn ausmachen, dass die Leute ein Vertrauen gewinnen und dann sagen können: „Hach, mir geht es so miserabel, so mistig, aber da kann ich hingehen und kann mich so ausweinen.“

Für den Sozialphilosophen Leser ist aber nicht nur die Rückzugsfunktion der Klöster von großer Bedeutung:
„Was mich als Politologen auch sehr am Kloster fasziniert, ist, dass es ein Element in sich birgt, das sonst in der Kirche unterrepräsentiert ist: Das demokratische Element. Man sagt immer die Kirche ist hierarchisch. Ihre Gegner bezeichnen sie sogar als „Sakraldiktatur“. Aber ein demokratisches Urelement ist das Mönchtum. Das ist ein wichtiges Element und die Klöster haben auch jene Erneuerungsfähigkeit gehabt: Zum Beispiel die Zisterzienser gegenüber den Benediktinern und so weiter. Eine Erneuerungsfähigkeit, die man der Politik wünschen würde, die dort vielfach abhandengekommen ist, aber in den Klöstern noch sehr lebendig ist.“

Diese Erneuerungsfähigkeit garantiere den Klöstern ihre Stabilität, sagt die Historikerin Vavra.
„Politiker wechseln, Herrscherfamilien wechseln, aber die Klöster waren in den letzten Jahrhunderten immer sehr konstant. Hier gibt es also immer wieder Erneuerungskräfte von innen, die Antworten geben auf Probleme, die von außen herangetragen werden. Das ist eine der großen Kräfte, die in den Klöstern, die in der Lebensform des Mönchstums oder der Orden liegt.“
Die Konkurrenz ist groß, die Nachfrage aber auch. Soziologen gehen davon aus, dass „Ruhe“ als Produkt bald gefragter sein werde, als der Faktor „Sonne“. Touristische Angebote rund um Klöster sind darum ideal. Dagegen stehe aber die Gefahr einer touristischen Instrumentalisierung. Hier eine Balance zu finden ist für Klöster und Stifte keine einfache Aufgabe, heute wie vor 900 Jahren nicht.

(rv 06.02.2014 ms)









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