Der Vatikan hat eine
Delegation zum UNO-Komitee für die Rechte des Kindes nach Genf geschickt. Sie informierte
an diesem Donnerstag darüber, was die Kirchenspitze angesichts der Pädophilie-Skandale
im kirchlichen Raum in den letzten Jahren getan hat. Es war das erste Mal, dass Spitzenvertreter
des Vatikans zu diesem Thema vor einer internationalen Organisation aussagen und sich
befragen lassen. Auch Vertreter anderer Staaten treten an diesem Donnerstag vor dem
Komitee auf.
Das UNO-Komitee ist für die Umsetzung einer Konvention der Vereinten
Nationen über Kinderrechte zuständig. Diese Konvention wurde 1989 beschlossen, 1990
trat der Heilige Stuhl ihr (unter Angabe von drei Vorbehalten) bei. Beobachter des
Heiligen Stuhles bei den Genfer UNO-Einrichtungen ist Erzbischof Silvano Maria Tomasi,
der die Vatikan-Delegation anführt. Er berichtete vorab im Interview mit Radio Vatikan:
„Das
ist die 65. Sitzung dieses Komitees, und auf ihr werden die Berichte von Russland,
Deutschland, dem Heiligen Stuhl, Portugal, Kongo und dem Jemen untersucht. Sie alle
haben einen Bericht über die Anwendung der Kinderrechte-Konvention auf ihrem Staatsgebiet
eingereicht. Die entsprechende Aufforderung war an alle Länder gegangen, die die Konvention
unterzeichnet haben, also auch an den Heiligen Stuhl. Das Komitee will Anmerkungen
zum Bericht machen und einen Dialog zwischen jedem Staat und den Experten des Komitees
in Gang bringen. Der Heilige Stuhl nimmt daran wie die anderen Staaten teil; er hält
das für eine gute Gelegenheit, um die Werte und das Prozedere dieser Konvention zu
würdigen – für einen guten Moment, um den Schutz von Kindern in der Welt voranzubringen.“
Schon
vorab hatte die UNO-Behörde dem Vatikan einen Fragebogen zum Umgang mit Pädophilie-Fällen
im kirchlichen Raum zugeschickt. Diesen füllte der Vatikan allerdings nicht aus, weil
er aus seiner Sicht nicht juristisch zuständig ist für Delikte und Verbrechen, die
außerhalb seines eigenen Gebietes begangen werden. Die 24-seitige Erklärung des Vatikans
ist dem Genfer Kinderschutz-Büro im Dezember zugegangen. Erzbischof Tomasi wußte,
dass er sich durchaus auf Kritik am kirchlichen Umgang mit dem Thema Kinderschutz
gefasst machen musste. Tatsächlich stellte eine der Expertinnen, Sara Oviedo, am Donnerstag
in Genf eine Reihe bohrender Fragen an den Kurienmann. Im Vorab-Interview mit uns
meinte Tomasi dazu:
„Kritik ist wohlfeil, manchmal hat sie ja auch ein reales
Fundament; Verbrechen sind immer schlecht, aber wenn sie sich gegen Kinder richten,
dann verschärft das die Sache noch. Der Vorwurf an den Heiligen Stuhl, er habe in
der Vergangenheit den Gang der Gerechtigkeit behindert, scheint mir etwas aus der
Luft gegriffen. Den Gang der Gerechtigkeit in irgendeinem Land aufzuhalten, trotz
seiner legitimen Jurisdiktion, wäre eine ungehörige und ungerechte Einmischung, von
wessen Seite auch immer. Der Heilige Stuhl unterstreicht das Recht und die Pflicht
jedes Landes, jedwedes Verbrechen gegen Minderjährige strafrechtlich zu verfolgen!
Die Kritik, dass man den Gang der Gerechtigkeit da behindern wolle, steht also auf
tönernen Füßen, im Gegenteil: Wir wollen, und auch Papst Franziskus insistiert darauf,
dass Transparenz herrscht und die Gerechtigkeit zum Zug kommt.“ Franziskus
hat am 6. Dezember eine eigene Kinderschutz-Kommission des Heiligen Stuhls eingerichtet.
Darauf wies Vatikanvertreter Tomasi in seinem fünfseitigen Bericht, der vom Vatikan
an diesem Donnerstag veröffentlicht wurde, eigens hin. Der Bericht, den Tomasi im
Genfer „Palais Wilson“ vorstellte, führt auch die Anstrengungen des früheren Papstes
Benedikt XVI. auf, Kontrolle und Prävention im Bereich Kinderschutz zu verstärken.
„Der Heilige Stuhl erfüllt seine internationalen Verpflichtungen, auch
die, die sich aus der Ratifizierung der Kinderrechte-Konvention ergeben. Er wird alle
Bemerkungen, Kommentare und Vorschläge der Expertenkommission in Erwägung ziehen.
Die neue, von Papst Franziskus eingerichtete Kinderschutz-Kommission wird sich mit
den Hinweisen des UNO-Komitees aufmerksam auseinandersetzen.“
Außer Erzbischof
Tomasi gehörte auch Weihbischof Charles J. Scicluna zu der Vatikan-Delegation in Genf.
Scicluna war lange Jahre Verantwortlicher an der vatikanischen Glaubenskongregation
für den Umgang mit Pädophilie-Fällen. Insgesamt ist die Kinderrechte-Konvention von
193 Staaten weltweit unterzeichnet worden; eigentlich sollen sie alle fünf Jahre einen
Bericht vorlegen, doch daran hält sich ein Großteil der Staaten nicht. Vatikansprecher
Federico Lombardi weist in einer Erklärung an diesem Donnerstag darauf hin, das UN-Kinderschutz-Komitee
sei „kein Gericht, das irgendwelche Jurisdiktion hätte, Staaten zu verurteilen, sondern
ein von den Staaten selbst eingerichtetes Werkzeug“.