2014-01-15 12:25:23

Unwort des Jahres: Der politischen Debatte aufs Maul geschaut


RealAudioMP3 Traurig-bitter aber treffsicher: So kommentiert der Direktor der Caritas München, Hans Lindenberger, die Entscheidung der zuständigen Jury, das Wort „Sozialtourismus“ zum Unwort des Jahres zu erklären. Das Wort meint Menschen, die nur deshalb in ein anderes Land ziehen, um von den dort gebotenen Sozialleistungen zu profitieren. Hans Lindenberger spielt auf die Debatte um die innereuropäische Freizügigkeit an:

„Da wurde der politischen Debatte wirklich aufs Maul geschaut, wenn ich das so sagen darf. Diese Wahl des Unworts empfinde ich aber auch als eine echte Mahnung, eine Mahnung zu einem fairen und nicht verletzenden Umgangsstil in der Wortwahl. Die Wahl des Wortes zum Unwort ist ein Appell, es wieder aus dem Sprachgebrauch zu streichen. Es ist unnötig und nicht hilfreich.“

Das Wort diskriminiere notleidende Menschen, so die Begründung der Jury, vor allem Menschen aus Osteuropa. Lindenberger sieht die Gefahr, dass kollektiv ein „Schmarotzen“ unterstellt werde. Gleichzeitig müsse aber auch differenziert auf die bestehenden Ursachen hingewiesen und untersucht werden, woher die Not komme:

„Warum sich diese Frauen und Männer, oft mit Kindern, auf den Weg machen. Die Wahl des Unwortes könnte also dazu beitragen, wirklich differenzierter hinzuschauen, ohne Scheuklappen. Das ist nicht nur eine deutsche Aufgabe, sondern eine europäische Aufgabe, in der Heimat dieser Menschen Lebensperspektiven zu eröffnen und Arbeit zu schaffen.“

Bisher würde man diesen Menschen aber bereits in ihren Heimatländern nicht gerecht, so Lindenberger.

„Sie haben kein gelebtes Anrecht auf ihr Menschenrecht auf Arbeit, auf Gesundheit, auf Bildung, das wird in ihrer Heimat verletzt. Das ist eine Gerechtigkeitsfrage, und diese Gerechtigkeitsfrage schlägt jetzt bei uns auf in diesen Frauen und Männern gerade aus Süd-Ost-Europa, Bulgarien, Rumänien, die zu uns kommen und bei uns etwas mehr Glück suchen.“

Das Unwort des Jahres wird seit 1991 jährlich gewählt, eine Jury aus Sprachwissenschaftlern und einem Journalisten kürt aus tausenden Einsendungen einen Begriff, der diskriminiert, gegen die Menschenwürde oder gegen die Demokratie verstößt.


(Münchner Kirchennachrichten 15.01.2014 ord)








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