2014-01-09 12:08:21

„Legionäre“ vor Abschluss ihrer Reform


RealAudioMP3 Deutliche Worte findet der päpstliche Delegat Kardinal Velasio De Paolis zu den Defiziten im Orden der „Legionäre Christi“, der auf Wunsch des Heiligen Stuhls in den letzten dreieinhalb Jahren eine grundlegende Erneuerung auf den Weg gebracht hat. Im Interview mit Radio Vatikan-Generaldirektor und Vatikansprecher Federico Lombardi beschreibt De Paolis den Ordensgründer Marcial Marciel Degollado als nahezu ,absolutistischen Herrscher', dessen undurchsichtiger und willkürlicher Führungsstil dem Orden großen Schaden zugefügt hat.

Anlass des Interviews ist das Außerordentliche Generalkapitel der Legionäre, das am Mittwochabend in Rom begann. Dort soll eine neue Ordensleitung gewählt und die neuen Statuten abgesegnet werden, die abschließend dem Papst vorgelegt werden müssen. Der Führungsstil Marcial Marciels habe auch die Ordensoberen des weltweit verbreiteten Ordens beeinflusst, so De Paolis.

„Unsere Arbeit hat sich hauptsächlich auf die Oberen konzentriert, denn das war das Hauptthema, das die Diskussion über die Legionäre bewegt hatte, die sich auf ihren Gründer konzentrierten, der der Obere, der absolute Obere war! Man muss sich nur vorstellen, dass er – das haben die anderen Oberen bestätigt – entschied und verwarf, ohne sich des Konzils jemals zu bedienen. Das Problem (für mich als Delegat, Anm.) war also, sie zu einem Führungsstil zu erziehen, bei dem die Oberen transparent sind und das Regelwerk der Kirche befolgen. (…) Es war auf besondere Weise notwendig zu unterstreichen, dass Autorität nicht willkürlich ist, sondern dass sie innerhalb des Konzils handeln muss.“

Die Erneuerung der Ordenskonstitution sei – zusammen mit einem breiteren Reformprozess innerhalb des Ordens – die größte Baustelle im Revisionsprozess gewesen, so Kardinal De Paolis. Er war im Juli 2010 von Benedikt XVI. mit der Aufsicht der Reform der Legionäre beauftragt worden, nachdem Vorwürfe gegen den Gründer Marcial Marciel bestätigt worden waren. Der mexikanische Priester hatte jahrelang Minderjährige in Ordenseinrichtungen sexuell missbraucht und mit zwei Frauen drei Kinder gezeugt. Im Revisionsprozess sei die Ordenskonstitution an die Standards des Zweiten Vatikanischen Konzils und an das geltende Kirchenrecht angepasst worden, so De Paolis. Eine Mammutaufgabe:

„Sie (die Legionäre) hatten Konstitutionen, die nicht nach post-konziliaren Kriterien redigiert worden waren, sondern die noch die traditionellen Kriterien aufwiesen: Es handelte sich um einen sehr langen, schwer verdaulichen, auch wirren Text, in dem zwischen konstitutionellen und anderen Normen nicht unterschieden wurde. Dort spiegelte sich auch eine Mentalität wider, die – auf disziplinärer Ebene – nicht einmal die Abstufung der Gesetze ihrer Bedeutung nach unterschied und daraus folgend auch nicht gemäß dem Sinn von anderen, nicht charakteristischen Normen.“

Ein sinnloses Regelwerk also, eine Konstitution, die das Charisma des Ordens in einem „Meer an Normen“ „verwässert“ habe, wie es De Paolis formuliert. Für Papst Benedikt, der die Reform damals anstieß, sei die Arbeit an der Konstitution deshalb Hauptaufgabe der Revision gewesen. De Paolis hatte sich mit dem deutschen Papst, der bereits als Kardinal Missbrauchsvorwürfen gegen Marcial Marciel nachspürte, mehrere Male konsultiert. Mit dem Pontifikatswechsel habe es keine Unterbrechung des Revisionsprozesses des Ordens gegeben, versicherte De Paolis, der seinen ausstehenden Bericht einfach an Benedikts Nachfolger übergab:

„Als der neue Papst gewählt wurde, fühlte ich mich verpflichtet, ihm diesen Bericht zu präsentieren . Er hat mich sofort gerufen und mir nach einigen Tagen auch einen Brief geschrieben, in dem er mich in meiner Arbeit bestätigte, dem Programm zustimmte, das ich vorgelegt hatte – da ging es um das Datum für das Generalkapitel – und mich bat, ihn über die Vorbereitung des Generalkapitels auf dem Laufenden zu halten. Ende November, Anfang Dezember habe ich ihm das Vorbereitungsmaterial übergeben. Der Papst war sehr aufmerksam, sehr präsent. Er will richtigerweise den Weg, den wir gehen, mit verfolgen, denn er fühlt – wie er mir sagte – ,die große Verantwortung, als Nachfolger Petri das Ordensleben und geweihte Leben zu begleiten‘.“

Zweite große Baustelle: die Neufassung des Charisma beziehungsweise, wie De Paolis es nennt, des „Erbes des Institutes“ der Legionäre Christi. Der Orden müsse sich notwendig als Teil der großen Laienbewegung „Regnum Christi“ begreifen, sozusagen zurück zu einer Basis finden – das war eine weitere Forderung des Vatikan an die Legionäre im Jahr 2010. De Paolis:

„Wir haben dieses Charisma innerhalb einer größeren Wirklichkeit eingeordnet, die um den Ordensgründer herum existierte: die von ,Regnum Christi´, die je nach den Berufungen und von den Laien, den geweihten Laien und den Ordenspriestern vielfältig gelebt wird. (…) Ich denke, dass unser Weg hier ein neuer ist – denn vorher war ,Regnum Christi´ wie ein Anhängsel der Legionäre. Dagegen ist nun das Bewusstsein darum gewachsen, dass jede Gruppe ihre eigene Autonomie, Identität und auch Disziplin hat, alle zusammen aber – sagen wir - ,Bewegung‘ bilden.“

„Regnum Christi“ bezeichnet der Delegat als „intakte kirchliche Realität“, die von den Skandalen um den Ordensgründer unberührt geblieben sei. Auch Benedikt XVI. habe ein differenziertes Urteil über die Legionäre abgegeben, als er ihn selbst – De Paolis – mit der Revision des Ordens beauftragte, erinnert der Delegat. Die Legionäre sind auch dank der Laienbewegung einer der dynamischsten Orden der katholischen Kirche mit zahlreichem Nachwuchs. Dazu De Paolis:

„Deshalb gibt es ein großes Stück, eine große kirchliche Realität, die intakt ist und die der Kirche vor allem im Bereich der religiösen Kultur und der katholischen und päpstlichen Universitäten dient, was vielversprechend ist.“

Im Rahmen der kommissarischen Verwaltung des Ordens durch den Vatikan wurde in den vergangenen dreieinhalb Jahren auch der Wechsel in der Ordensleitung auf den Weg gebracht, über den das Kapitel in Rom nun entscheiden soll, so De Paolis weiter. Der Vatikan habe bei diesem Prozess Wert darauf gelegt, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen:

„Es erschien uns nützlicher und effizienter, die Oberen zunächst zu behalten, doch unter der Kontrolle unserer Anwesenheit: Deshalb waren wir auch immer bei ihren Generalversammlungen mit dabei. Sie konnten ihr Amt ausüben, konnten aber nichts ohne unsere Präsenz entscheiden. Es gab also eine kontinuierliche Osmose des Dialoges.“

Bei den wöchentlichen Beratungen unter De Paolis Anwesenheit seien alle heiklen Fragen auf den Tisch gekommen, so der Delegat:

„Die Probleme des Ordensgründers, die Probleme der Ausbildung, von ,Regnum Christi´; auch disziplinäre Probleme – denn auch wenn die Fälle von Priestern, die innerhalb der Kirche Straftaten begangen hatten, nicht zahlreich waren, gab es solche Fälle auch bei den Legionären Christi, ebenso wie bei anderen Ordensgemeinschaften.“

Aufgrund der Skandale rund um Marcial Marciel habe der Orden auch finanzielle Einbußen hinnehmen müssen, berichtete De Paolis. Auch die Finanz- und Wirtschaftskrise habe sich negativ auf die Bilanzen der Legionäre ausgewirkt, „die (laut Paolis) nicht so reich sind, wie man denkt“. Der italienische Kurienkardinal kündigte weiter an, dass das Generalkapitel des Ordens eine Art öffentlichen Bußakt vollziehen werde. Jedes Ordensmitglied müsse die entstandenen Leiden „als Bußakt zur Erneuerung der 'Legionäre Christi'“ annehmen.

Insgesamt sieht De Paolis die Legionäre Christi auf einem guten Weg. Das Generalkapitel beginne „unter guten Vorzeichen“, auch Spannungen innerhalb des Ordens seien abgebaut worden. Das Außerordentliche Generalkapitel der Legionäre in Rom soll rund 20 Tage dauern und bis Ende Februar abgeschlossen sein. Damit enden De Paolis Aufgaben als päpstlicher Delegat und die kommissarische Verwaltung des Ordens durch den Vatikan.

(rv 09.01.2014 pr)








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