Deutliche Worte findet
der päpstliche Delegat Kardinal Velasio De Paolis zu den Defiziten im Orden der „Legionäre
Christi“, der auf Wunsch des Heiligen Stuhls in den letzten dreieinhalb Jahren eine
grundlegende Erneuerung auf den Weg gebracht hat. Im Interview mit Radio Vatikan-Generaldirektor
und Vatikansprecher Federico Lombardi beschreibt De Paolis den Ordensgründer Marcial
Marciel Degollado als nahezu ,absolutistischen Herrscher', dessen undurchsichtiger
und willkürlicher Führungsstil dem Orden großen Schaden zugefügt hat.
Anlass
des Interviews ist das Außerordentliche Generalkapitel der Legionäre, das am Mittwochabend
in Rom begann. Dort soll eine neue Ordensleitung gewählt und die neuen Statuten abgesegnet
werden, die abschließend dem Papst vorgelegt werden müssen. Der Führungsstil Marcial
Marciels habe auch die Ordensoberen des weltweit verbreiteten Ordens beeinflusst,
so De Paolis.
„Unsere Arbeit hat sich hauptsächlich auf die Oberen konzentriert,
denn das war das Hauptthema, das die Diskussion über die Legionäre bewegt hatte, die
sich auf ihren Gründer konzentrierten, der der Obere, der absolute Obere war! Man
muss sich nur vorstellen, dass er – das haben die anderen Oberen bestätigt – entschied
und verwarf, ohne sich des Konzils jemals zu bedienen. Das Problem (für mich als Delegat,
Anm.) war also, sie zu einem Führungsstil zu erziehen, bei dem die Oberen transparent
sind und das Regelwerk der Kirche befolgen. (…) Es war auf besondere Weise notwendig
zu unterstreichen, dass Autorität nicht willkürlich ist, sondern dass sie innerhalb
des Konzils handeln muss.“
Die Erneuerung der Ordenskonstitution sei –
zusammen mit einem breiteren Reformprozess innerhalb des Ordens – die größte Baustelle
im Revisionsprozess gewesen, so Kardinal De Paolis. Er war im Juli 2010 von Benedikt
XVI. mit der Aufsicht der Reform der Legionäre beauftragt worden, nachdem Vorwürfe
gegen den Gründer Marcial Marciel bestätigt worden waren. Der mexikanische Priester
hatte jahrelang Minderjährige in Ordenseinrichtungen sexuell missbraucht und mit zwei
Frauen drei Kinder gezeugt. Im Revisionsprozess sei die Ordenskonstitution an die
Standards des Zweiten Vatikanischen Konzils und an das geltende Kirchenrecht angepasst
worden, so De Paolis. Eine Mammutaufgabe:
„Sie (die Legionäre) hatten Konstitutionen,
die nicht nach post-konziliaren Kriterien redigiert worden waren, sondern die noch
die traditionellen Kriterien aufwiesen: Es handelte sich um einen sehr langen, schwer
verdaulichen, auch wirren Text, in dem zwischen konstitutionellen und anderen Normen
nicht unterschieden wurde. Dort spiegelte sich auch eine Mentalität wider, die – auf
disziplinärer Ebene – nicht einmal die Abstufung der Gesetze ihrer Bedeutung nach
unterschied und daraus folgend auch nicht gemäß dem Sinn von anderen, nicht charakteristischen
Normen.“
Ein sinnloses Regelwerk also, eine Konstitution, die das Charisma
des Ordens in einem „Meer an Normen“ „verwässert“ habe, wie es De Paolis formuliert.
Für Papst Benedikt, der die Reform damals anstieß, sei die Arbeit an der Konstitution
deshalb Hauptaufgabe der Revision gewesen. De Paolis hatte sich mit dem deutschen
Papst, der bereits als Kardinal Missbrauchsvorwürfen gegen Marcial Marciel nachspürte,
mehrere Male konsultiert. Mit dem Pontifikatswechsel habe es keine Unterbrechung des
Revisionsprozesses des Ordens gegeben, versicherte De Paolis, der seinen ausstehenden
Bericht einfach an Benedikts Nachfolger übergab:
„Als der neue Papst gewählt
wurde, fühlte ich mich verpflichtet, ihm diesen Bericht zu präsentieren . Er hat mich
sofort gerufen und mir nach einigen Tagen auch einen Brief geschrieben, in dem er
mich in meiner Arbeit bestätigte, dem Programm zustimmte, das ich vorgelegt hatte
– da ging es um das Datum für das Generalkapitel – und mich bat, ihn über die Vorbereitung
des Generalkapitels auf dem Laufenden zu halten. Ende November, Anfang Dezember habe
ich ihm das Vorbereitungsmaterial übergeben. Der Papst war sehr aufmerksam, sehr präsent.
Er will richtigerweise den Weg, den wir gehen, mit verfolgen, denn er fühlt – wie
er mir sagte – ,die große Verantwortung, als Nachfolger Petri das Ordensleben und
geweihte Leben zu begleiten‘.“
Zweite große Baustelle: die Neufassung
des Charisma beziehungsweise, wie De Paolis es nennt, des „Erbes des Institutes“ der
Legionäre Christi. Der Orden müsse sich notwendig als Teil der großen Laienbewegung
„Regnum Christi“ begreifen, sozusagen zurück zu einer Basis finden – das war eine
weitere Forderung des Vatikan an die Legionäre im Jahr 2010. De Paolis:
„Wir
haben dieses Charisma innerhalb einer größeren Wirklichkeit eingeordnet, die um den
Ordensgründer herum existierte: die von ,Regnum Christi´, die je nach den Berufungen
und von den Laien, den geweihten Laien und den Ordenspriestern vielfältig gelebt wird.
(…) Ich denke, dass unser Weg hier ein neuer ist – denn vorher war ,Regnum Christi´
wie ein Anhängsel der Legionäre. Dagegen ist nun das Bewusstsein darum gewachsen,
dass jede Gruppe ihre eigene Autonomie, Identität und auch Disziplin hat, alle zusammen
aber – sagen wir - ,Bewegung‘ bilden.“
„Regnum Christi“ bezeichnet der
Delegat als „intakte kirchliche Realität“, die von den Skandalen um den Ordensgründer
unberührt geblieben sei. Auch Benedikt XVI. habe ein differenziertes Urteil über die
Legionäre abgegeben, als er ihn selbst – De Paolis – mit der Revision des Ordens beauftragte,
erinnert der Delegat. Die Legionäre sind auch dank der Laienbewegung einer der dynamischsten
Orden der katholischen Kirche mit zahlreichem Nachwuchs. Dazu De Paolis:
„Deshalb
gibt es ein großes Stück, eine große kirchliche Realität, die intakt ist und die der
Kirche vor allem im Bereich der religiösen Kultur und der katholischen und päpstlichen
Universitäten dient, was vielversprechend ist.“
Im Rahmen der kommissarischen
Verwaltung des Ordens durch den Vatikan wurde in den vergangenen dreieinhalb Jahren
auch der Wechsel in der Ordensleitung auf den Weg gebracht, über den das Kapitel in
Rom nun entscheiden soll, so De Paolis weiter. Der Vatikan habe bei diesem Prozess
Wert darauf gelegt, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen:
„Es erschien uns
nützlicher und effizienter, die Oberen zunächst zu behalten, doch unter der Kontrolle
unserer Anwesenheit: Deshalb waren wir auch immer bei ihren Generalversammlungen mit
dabei. Sie konnten ihr Amt ausüben, konnten aber nichts ohne unsere Präsenz entscheiden.
Es gab also eine kontinuierliche Osmose des Dialoges.“
Bei den wöchentlichen
Beratungen unter De Paolis Anwesenheit seien alle heiklen Fragen auf den Tisch gekommen,
so der Delegat:
„Die Probleme des Ordensgründers, die Probleme der Ausbildung,
von ,Regnum Christi´; auch disziplinäre Probleme – denn auch wenn die Fälle von Priestern,
die innerhalb der Kirche Straftaten begangen hatten, nicht zahlreich waren, gab es
solche Fälle auch bei den Legionären Christi, ebenso wie bei anderen Ordensgemeinschaften.“
Aufgrund
der Skandale rund um Marcial Marciel habe der Orden auch finanzielle Einbußen hinnehmen
müssen, berichtete De Paolis. Auch die Finanz- und Wirtschaftskrise habe sich negativ
auf die Bilanzen der Legionäre ausgewirkt, „die (laut Paolis) nicht so reich sind,
wie man denkt“. Der italienische Kurienkardinal kündigte weiter an, dass das Generalkapitel
des Ordens eine Art öffentlichen Bußakt vollziehen werde. Jedes Ordensmitglied müsse
die entstandenen Leiden „als Bußakt zur Erneuerung der 'Legionäre Christi'“ annehmen.
Insgesamt sieht De Paolis die Legionäre Christi auf einem guten Weg. Das Generalkapitel
beginne „unter guten Vorzeichen“, auch Spannungen innerhalb des Ordens seien abgebaut
worden. Das Außerordentliche Generalkapitel der Legionäre in Rom soll rund 20 Tage
dauern und bis Ende Februar abgeschlossen sein. Damit enden De Paolis Aufgaben als
päpstlicher Delegat und die kommissarische Verwaltung des Ordens durch den Vatikan.