Franziskus zwischen Rom und Assisi: „Menschen spüren, dass Franziskus echt ist“
Weihnachten im Zeichen
von Franziskus: für die Gemeinschaft der Franziskaner in Assisi war die diesjährige
Feier der Geburt Christi eine Besonderheit. Das sagt im Gespräch mit Radio Vatikan
Franziskanerbruder Thomas Freidel. Er ist der Seelsorger, Fremdenführer, Übersetzer,
Organisator und vieles mehr für die vielen Deutschsprachigen in Assisi. Das Interview
führte Mario Galgano.
Wir haben das erste Weihnachtsfest mit einem Papst namens
Franziskus gefeiert. Wie war das für eure Gemeinschaft in Assisi? Was ist bei euch
von seiner Weihnachtsbotschaft geblieben?
„Bei uns Franziskaner in Assisi
klingt natürlich zuallererst noch der Besuch von Papst Franziskus vom 4. Oktober nach.
Er hatte ja in seiner ganz persönlichen Art uns gerade bei diesem Besuch viele Impulse
und Anregungen gegeben. Ich denke hierbei an seine Begegnungen mit den Menschen, sein
Aufruf zu Einfachheit und Bescheidenheit, zum Einsatz für die Armen. Das sind Sachen,
die uns schon immer bewusst waren, aber er selber hat das auf seine Art und Weise
noch einmal neu vermittelt. Weihnachten selber ist natürlich für uns Franziskaner
ein besonderes Fest, denn Franz von Assisi hatte eine ganz enge Verbindung zum Thema
Menschwerdung Gottes. Denn gerade in der Armut des Kindes von Bethlehem entdeckt Franziskus
diesen Gott, der sich uns Menschen schenkt und hingibt. Dass Papst Franziskus mit
der Wahl seines Namens und mit den Impulsen, die er gibt sowie Akzenten, die er setzt,
diese Punkte besonders aufgreift, ist für uns sehr wichtig und eine große Freude.
Wir haben das auch bei unserer Christmette betont. So ist Weihnachten für uns von
Franziskus her das zentrale und wichtige Fest im Jahr. Gott macht sich klein und arm
für uns, damit wir es leichter haben, zu ihm zu kommen. Das ist auch in den Worten
und Taten von Papst Franziskus ganz besonders erfahrbar.“
Zum Ende des
weltlichen Jahres 2013: wenn wir zurückblicken auf diesen ersten Monate des Pontifikates
von Franziskus, welche Hoffnungen haben Sie für das neue Jahr?
„Hoffnung
schenkt er uns u.a. auch durch einen gewissen Neuaufbruch, den gerade die Kirche in
Italien durch Papst Franziskus erfährt. Ich sehe dies an der steigenden Zahl von Pilgern
und Besuchern in Assisi. Aber es geht nicht um Zahlen, sondern es geht darum, dass
Menschen wieder neu Zugang zum Glauben finden. Durch das Zeugnis von Papst Franziskus
lassen sie sich wieder neu berühren und viele kommen jetzt ganz bewusst als Pilger
zum Empfang des Sakraments der Versöhnung nach Assisi. Das waren in diesem Jahr v.a.
Italiener. Es gab aber auch ganz viele aus Lateinamerika – insbesondere aus Argentinien
– die an die franziskanischen Stätten kommen. Wir sehen das als große Chance und Geschenk,
dass Menschen sich neu interessieren und durch den Besuch in Assisi vielleicht auch
wieder neue Begeisterung finden für das Leben gemäß dem Evangelium und das Christsein.
Dieser Impuls war dieses Jahr bereits sehr deutlich zu spüren. Ich kann das auch für
meinen Arbeitsbereich für die deutschsprachigen Pilger bestätigen: für das kommende
Jahr sind schon einige Anmeldungen von Gruppen, die neu nach Assisi kommen. Sie kommen,
weil sie erfahren wollen, was sich dieser Papst von Franziskus denkt. Es geht darum
zu erfahren, was es heißt nach dem Evangelium zu leben. Das finden oder entdecken
es wieder viele neu.“
Was die franziskanische Gemeinschaft an sich betrifft:
spürt man schon einen Anstieg von Neueintritten?
„Das wäre schön und wünschenswert,
aber man kann es bisher noch nicht in diesem Sinne sagen. Das ist kein Effekt, der
sich sofort einstellt. Auf die Dauer hingesehen, freut es uns sehr, dass ein Ordensmann
Papst geworden ist. Denn auch die Lebensform des Ordenslebens dadurch wieder mehr
in dem Blick kommt. Das betrifft nicht nur uns Franziskaner, Papst Franziskus selber
ist ja Jesuit. Es ist schön, dass überhaupt mehr ins Bewusstsein kommt, dass Christsein
verschiedene Formen und Berufungswege kennt. Das Ordens- und Gemeinschaftsleben ist
eine Form, zu der vielleicht der eine oder andere wieder neu Zugang findet, durch
das Beispiel und Zeugnis von Papst Franziskus.“
Sie haben Papst Franziskus
in Assisi erlebt und sind jetzt hier in Rom für einige Tage und haben den Papst hier
gesehen. Wie erleben Sie ihn hier, in einem kurialen Umfeld, der sicherlich anders
ist als in Assisi?
„Ich hatte gestern ein interessantes Erlebnis: ich wohne
in diesen Tagen im Vatikan bei meinen Mitbrüdern, die den Beichtdienst im Petersdom
machen. Als ich gestern beim Gästehaus Santa Marta vorbeiging, kam eine Familie aus
dem Eingang heraus. Es war ein Ehepaar mit zwei kleinen Kindern und der Papst stand
in der Tür und hat sie verabschiedet. Es waren Gäste von ihm. Es waren vielleicht
Freunde aus Argentinien oder wer auch immer. Doch er stand da, wie es jeder andere
Mensch auch tut, an der Haustür, hat die Gäste verabschiedet. Da ist mir neu bewusst
geworden, warum der Papst eben auch gerne in diesem Gästehaus wohnen möchte, weil
das dort möglich ist. Er zeigt es auf verschiedene Weisen, wie er den Menschen nahe
sein will und wie er auch weiterhin ein Leben führen möchte, wie er es früher schon
gewohnt war. Das sagt sehr viel über ihn aus, über seine Person und sein Verständnis
des Amtes. Er will den Menschen nahe sein und die Menschen spüren es, das es echt
ist.“
Was wünschen Sie dem Papst und den Gläubigen zum neuen Jahr?
„Ich
wünsche, dass die Kirche mit Papst Franziskus und mit allen weiterhin diesen Weg der
Erneuerung geht. Alle schauen auf den Papst, was er tut und sagt. Doch die Erneuerung
der Kirche – die Rückkehr zum Evangelium – sie kann nur gelingen, wenn alle mitmachen.
Das gilt insbesondere dann, wenn das, was an Papst Franziskus fasziniert, sich auch
weiter umsetzen lässt und alle sich vom Evangelium begeistern lassen. Ich wünsche
mir, dass die wichtigen Entscheidungen, die er im neuen Jahr treffen und auch die
Kirche im deutschen Sprachraum betreffen wird, alle dazu führt, mitzuziehen, damit
der Papst weiß, dass er die Unterstützung aller hat.“