Die Kirche feiert
an diesem Zweiten Weihnachtstag nicht nur das Kind in der Krippe, sondern auch einen
Märtyrer: den heiligen Stephanus. Dieses liturgische Zusammenspiel von Freude und
Drama lenkt den Blick auf die oft schwierigen Umstände, unter denen Christen außerhalb
Europas Weihnachten begehen. In einem Stadtviertel von Bagdad, der Hauptstadt des
Irak, explodierte am Ersten Weihnachtsfeiertag eine Bombe, etwa vierzig Menschen kamen
ums Leben – und weil in der Nähe des Anschlagortes eine Kirche liegt, war sofort die
alte Angst vor Christenverfolgung an Euphrat und Tigris wieder da. Aber dem widerspricht
der chaldäische Weihbischof von Bagdad, Shlemon Warduni, entschieden:
„Man
darf die Dinge nicht durcheinanderbringen! Es gibt im Irak, wie ihr wißt, viele und
ganz unterschiedliche Anschläge. Diesmal ist eine Autobombe auf einem Marktplatz explodiert
– und in der Nähe dieses Marktplatzes gibt es auch eine Kirche. Aber das heißt doch
nicht, dass das Attentat gegen die Christen oder ihr Weihnachtsfest gerichtet wäre!
Es ist am Ersten Weihnachtstag passiert, aber nicht, weil Weihnachten war. Solche
Nachrichten geben kein richtiges Bild, und davor müssen sich die Medien hüten!“
Irak:
„Nicht nur die Christen emigrieren“
Trotz der wackeligen Sicherheitslage
und vieler ungeklärter Fragen über Iraks Zukunft feierten die Christen doch ein ausgelassenes
Weihnachtsfest, versichert Weihbischof Warduni.
„Wirklich, wir haben viel
Freude und viel Anteilnahme gespürt. Am Ersten Weihnachtstag waren die Kirchen gedrängelt
voll, auch in der Heiligen Nacht konnte in den meisten Kirchen die Christmette gefeiert
werden – es war sehr schön!“
Warduni wäre es am liebsten, die vielen ins
Ausland geflohenen oder vertriebenen Christen aus dem Irak kämen wieder zurück in
ihre Heimat. Dort drohe ihnen keinerlei Verfolgung.
„Die Lage der Christen
im Irak ist identisch mit der Lage aller Einwohner. Nur weil sie wenige sind, fühlt
man manchmal speziell, dass es den Christen nicht gut geht. Aber das ist alles! Seien
wir doch gerecht in unseren Urteilen: Warum emigrieren die Christen denn? Weil sie
verfolgt werden? Nein, das ist nicht wahr! Nicht nur die Christen emigrieren, auch
viele Muslime. Darum beten wir um Frieden – das ist es, was uns fehlt, uns Irakern
allen. Und nicht nur uns, sondern dem ganzen Nahen Osten.“
Gaza-Streifen:
„Erst arbeiten, dann in die Christmette“
Auch im Gaza-Streifen ist
es in diesen Weihnachtstagen zu neuer Gewalt gekommen: Ein Islamist hat einen Israeli
getötet, daraufhin bombardierte das israelische Militär einen Teil des Gaza-Streifens,
eine vierjährige Palästinenserin kam dabei ums Leben. Das Weihnachtsfest der – wenigen
– Christen in und um Gaza ist, wie das aller Palästinenser dort, von den – vielen
– Schwierigkeiten des Alltags bestimmt, die auf sechs Jahre Abriegelung zurückgehen.
Mario Da Silva arbeitet in der einzigen katholischen Pfarrei von Gaza:
„Der
Gaza-Streifen hat fast zwei Millionen Einwohner, davon sind nur 176 Katholiken. Eine
sehr kleine Gemeinschaft also. Der Sonntag zum Beispiel ist hier kein Feiertag, sondern
ein normaler Arbeitstag, und das gilt eben auch für Weihnachten. Die Leute sind also
erst arbeiten gegangen und dann in die Messe gekommen. Weihnachten ist für uns aber
immer etwas ganz Besonders, denn das Jesuskind ist ja hier in der Nähe geboren worden,
und auf seiner Flucht nach Ägypten kam es durch unsere Gegend, über die „Via Maris“,
die einzige Straße in der Antike, über die man von Betlehem nach Ägypten kam. Daran
erinnern wir voller Rührung.“
Auch im Gaza-Streifen hat man die Papstbotschaft
zum Welttag des Friedens am 1. Januar gelesen: Brüderlichkeit als Weg zum Frieden.
„Das
war etwas, was mir auffiel, als ich hierhinkam: die Brüderlichkeit zwischen den Christen
und den Gläubigen anderer Religionen. In unseren Schulen zum Beispiel ist die Mehrheit
der Schüler, aber auch der Lehrer muslimisch – aber die Brüderlichkeit ist stark.
Und das ist der erste Schritt auf der Suche nach Frieden.“
Syrien:
„Ein Tsunami des Leidens“
In Syrien haben Armee und Rebellen eine Waffenruhe
für die Stadt Moadamijet al-Scham vereinbart. Das hängt aber nicht mit dem Weihnachtsfest
zusammen, sondern soll Hilfslieferungen in die Stadt ermöglichen. Sie liegt nur ein
paar Kilometer von der Hauptstadt Damaskus entfernt und ist seit etwa einem Jahr von
der Armee eingeschlossen; im August war sie eines der Ziel von Angriffen mit Chemiewaffen,
die Zustände in Moadamijet al-Scham sollen alarmierend sein, viele Menschen hungern.
In Aleppo sollen die Bombardements des Militärs seit Mitte Dezember schon etwa 400
Todesopfer gefordert haben, darunter mehr als hundert Kinder. Mario Zenari ist Päpstlicher
Nuntius in Damaskus:
„Das ist das dritte Weihnachtsfest im Krieg, und leider
gibt es jedesmal an Weihnachten mehr Gewalt und Leiden. Natürlich verlieren die Christen
trotz dieser schwierigen Umstände nicht die Weihnachtsfreude – sie entdecken immer
stärker das Gottvertrauen. In so kritischen Momenten ist der Glaube eine echte Hilfe.“
Auch in seiner Urbi-et-Orbi-Botschaft vom 25. Dezember hat Papst Franziskus
wieder zum Gebet für Syrien aufgerufen, einer von vielen Friedensappellen, für die
Zenari dankbar ist.
„Das ist wirklich eine Welle des Trostes –angesichts
eines Tsunamis an menschlichem Leiden... aber es gibt diese Welle eben. Alle fühlen
deutlich diese Nähe des Papstes.“