Papst Franziskus hat
die Einheit der Christen als eine Priorität seines Amtes bezeichnet. In einem Interview
mit der italienischen Tageszeitung „La Stampa“, das an diesem Sonntag erschien, erinnerte
Franziskus daran, dass es heute eine „Ökumene des Blutes“ gebe, die es bei der Suche
nach Einheit mehr zu berücksichtigen gelte. „In einigen Ländern bringen sie Christen
um, weil sie ein Kreuz tragen oder eine Bibel haben, und bevor sie sie umbringen,
fragen sie nicht, ob sie anglikanisch, lutheranisch, katholisch oder orthodox sind.
Für die, die umbringen, sind wir Christen. Vereint im Blut, auch wenn wir unter uns
nicht imstande sind, die nötigen Schritte zur Einheit zu setzen, und vielleicht auch
die Zeit noch nicht reif ist“, so der Papst wörtlich. In Hamburg habe er einen Pfarrer
gekannt, der die Seligsprechung eines katholischen Priesters und Nazi-Märtyrers betrieb.
In der Reihe der Hinzurichtenden sei hinter diesem Priester ein protestantischer Pastor
gestanden, der so wie der Priester von den Nazis exekutiert worden sei, weil er Kindern
Religionsunterricht erteilte. Der Hamburger Pfarrer habe ihm, Franziskus, erzählt,
er sei zu seinem Bischof gegangen und habe ihm gesagt: „Ich arbeite weiter an diesem
Verfahren, aber für alle beide, nicht nur für den katholischen Priester. Das, so Franziskus,
sei „Ökumene des Blutes“.
Seine Begegnungen mit diversen orthodoxen Patriarchen
habe ihn einiges gelehrt, so der Papst weiter; er benannte unter anderem das Ehrenoberhaupt
der Orthodoxie, Bartholomaios, Hilarion, den russisch-orthodoxen Außenamtsleiter,
und den koptischen Papst Tawadros, den er als „Mystiker“ bezeichnete. Franziskus wörtlich:
„Ich habe mich als ihr Bruder gefühlt. Sie stehen in apostolischer Nachfolge, ich
habe sie als Brüder im Bischofsamt empfangen.“ Es sei schmerzvoll, nicht die Eucharistie
miteinander feiern zu können, „aber Freundschaft ist vorhanden.“ Das sei überhaupt
der Weg: Freundschaft, gemeinsame Arbeit, und Gebet für die Einheit. „Wir haben einander
gegenseitig gesegnet, ein Bruder segnet den anderen, ein Bruder heißt Petrus, der
andere Andreas, Markus, Thomas…“
Zur Frage der wiederverheirateten Geschiedenen
sagte Franziskus, ihr Ausschluss von der Kommunion dürfe nicht als „Strafe“ verstanden
werden. Viele hätten entsprechende Passagen seines Lehrschreibens „Evangelii gaudium“
in eine bestimmte Richtung interpretiert, doch habe er das Problem darin nicht aufgegriffen.
Die Kardinalsversammlung im Februar werde sich mit der Sakramentenpastoral für wiederverheiratete
Geschiedene beschäftigen, ebenso die beiden Bischofssynoden 2014 und 2015.
Vorwürfe,
er vertrete in seiner Wirtschaftsethik „marxistische“ Theorien, wies Franziskus in
dem Interview zurück. „Die marxistische Ideologie ist falsch“, sagte der Papst. „Aber
in meinem Leben habe ich viele menschlich gute Marxisten getroffen, und deshalb fühle
ich mich nicht angegriffen.“ Alles, was er in „Evangelii gaudium“ geschrieben habe,
stimme mit der katholischen Soziallehre überein. Konservative Christen in den USA
hatten Franziskus als „Marxisten“ gebrandmarkt, weil er in seinem Lehrschreiben das
kapitalistische Wirtschaftssystem der Gegenwart scharf kritisiert. Ein einziges spezifisches
Zitat habe er benutzt, sagte Franziskus: Die kapitalistische Wirtschaftstheorie verspreche,
die Armen würden davon profitierten, wenn ein Glas so voll sei, dass es überfließt.
„Doch wenn das Glas voll ist, dann vergrößert es sich jedes Mal auf wundersame Weise,
und so kommt für die Armen nie etwas heraus“, erklärte der Papst.
Auf die
Frage, ob es Frauen im Kardinalamt geben werde, wiederholte Franziskus, Frauen müssten
in der Kirche wertgeschätzt, nicht „klerikalisiert“ werden. „Wer an Kardinälinnen
denkt, leidet ein wenig an Klerikalismus“, so der Papst wörtlich. Über die Zukunft
des vatikanischen Geldinstitutes IOR äußerte sich Franziskus zurückhaltend. Die „Zentralbank“
des Vatikans sei eigentlich die päpstliche Güterverwaltung APSA. Das IOR sei entstanden,
um die Werke der Religionen, Missionen und der Kirche in armen Ländern zu helfen und
erst später zu der Institution geworden, die es heute sei.
Wie verbringt Papst
Franziskus Weihnachten? Oft habe er nach der Mette einige Stunden allein in der Kapelle
zugebracht, bis es Zeit für die Frühmesse war. Das sei ein „Gefühl tiefen Trostes
und Friedens“ gewesen. 1974 habe er in Rom eine Nacht des Gebets nach der Weihnachtsmette
im Centro Astalli, der Flüchtlings-Notaufnahme der Jesuiten, zugebracht. Für ihn bedeute
das Fest der Geburt Christi, über die Begegnung Gottes mit seinem Volk nachzudenken.
„Bei Weihnachten geht es um Zärtlichkeit und Hoffnung“, sagte Franziskus. Wenn die
Christen Zärtlichkeit und Hoffnung vergessen, werden sie „eine kalte Kirche“ ohne
Orientierung, die sich in Ideologien und mondäne Haltungen verstricke. Weihnachten
sei aber auch nicht die Anklage von sozialer Ungerechtigkeit und Armut, sondern eine
Verkündigung der Freude, des Lichts und des Friedens. Wer in einer menschlichen Situation
sei, die es nicht erlaube, diese Freude zu begreifen, begehe dieses Fest „mit mondäner
Fröhlichkeit“.