2013-12-06 15:09:40

Kinderschutz: Neue Kommission braucht „Durchgreifmöglichkeiten“


RealAudioMP3 „Das ist ein klares Zeichen dafür, dass Papst Franziskus und die Kardinäle, die ihn beraten, das Thema Schutz von Kindern im kirchlichen Raum und drüber hinaus wirklich als eine Priorität ansehen.“


So wertet der Jesuit Pater Hans Zollner Franziskus’ Entscheidung, eine Expertenkommission für Kinderschutz einzurichten. Den Plan hatte Kardinal O’Malley am letzten Sitzungstag des Kardinalsrates am Donnerstag bekanntgegeben.


„Es ist schon erstaunlich, dass es das erste konkrete Ergebnis dieses Beratungsgremiums des Papstes ist. Es ist erstaunlich, wie detailliert da auch Dinge eingefordert werden, die dann die Aufgabe dieser neuen Kommission darstellen sollen. Kardinal O’Malley, der das gestern vorgestellt hat, hat berichtet von einer sehr angeregten Diskussion der Kardinäle und auch von der großen Aufmerksamkeit, die der Papst dem Thema geschenkt hat.“


Der Vizerektor der Päpstlichen Uni Gregoriana erzählt im Gespräch mit Radio Vatikan, dass neben O’Malley Kardinal Reinhard Marx von München „der größte Unterstützer der Idee im Kreis der acht Kardinäle“ gewesen sei. Die Einrichtung der Kommission sei ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung des Heiligen Stuhls im Kampf gegen sexuellen Missbrauch:


„Es wird darum gehen, so lese ich das, dass mit dieser Kommission ein sog. ,Auditing-Prozess’ eingeführt wird. Also das, was man im Qualitätsmanagement von Betrieben, oder auch von staatlichen Prozeduren, eine Gruppe nennen könnte, die überwacht, dass das, was eigentlich vorgesehen ist, auch eingeführt wird, und dass der Qualitätsstandard, den man anstrebt, auch wirklich verfolgt wird.“


Zollner steht in regelmäßigem Kontakt mit Kirchenvertretern und Laien weltweit, die den Kampf gegen Missbrauch aufgenommen haben. Andererseits weiß er auch um den großen Nachholbedarf, den es in vielen Ländern der Welt bei dem Thema gibt. Garantieren, dass bestehende Rechtsvorgaben auch tatsächlich angewendet werden, sei wesentlich, betont der Jesuit:


„Denn wir wissen aus den letzten 20 Jahren, dass Bischofskonferenzen nicht dem gefolgt sind, was schon längst als kirchliche Rechtsvorlage eingesetzt war, woran sie sich hätten halten müssen – Bischofskonferenzen und einige Bischöfe.“


Bis heute gibt es weltweit Bischofskonferenzen, die die von der Glaubenskongregation geforderten Leitlinien zur Missbrauchsprävention immer noch nicht erarbeitet hätten, klagt Zollner. Mit welchen Kompetenzen die neue Kinderschutzkommission in Fällen ausgestattet sein wird, in denen Vatikanvorschriften nicht eingehalten werden, ist derzeit noch offen. Für Zollner muss das Gremium klar auch hier Handlungsmöglichkeiten erhalten:


„Also es wird sicher zu reden sein über die Frage: Was kann die Kommission tun, wenn in einer Bischofskonferenz oder in einer Diözese bestimmte Regeln nicht eingehalten werden? Da kommen wir wieder zu einem der Standardthemen der letzten Jahre zurück: Welche Art von Mitverantwortung tragen kirchliche Amtsträger dafür, wenn Priester, Ordensleute oder kirchliche Mitarbeiter Missbrauch verüben?“


Dabei muss im Notfall auch möglich sein, gegen innerkirchliche Widerstände vorzugehen, präzisiert der Jesuit. Ortsbischöfe hätten auf lokaler Ebene bislang „praktisch keine Möglichkeiten“ zu reagieren, wenn sie merkten, dass die Leitlinien der Bischofskonferenz nicht angewendet würden. Zollner:


„Wir brauchen auch Durchgreifmöglichkeiten, auch rechtlich greifende Instrumente, das auch durchzusetzen, was von der gesamten Rechtsordnung der Kirche her vorgesehen ist – notfalls auch gegen den Widerstand eines Bischofs, der sich sperrt.“


Ein Gremium ergänzend zur Glaubenskongregation

Papst Franziskus will die Zusammensetzung und die Befugnisse der Kinderschutzkommission in Kürze mit einem eigenen Schreiben bekannt geben. Was aber jetzt schon klar ist: Das neue Gremium wird die Kompetenzen der Glaubenskongregation nicht beschneiden. Dazu Zollner:


„Die Kommission soll als eine Überprüfung dessen funktionieren, was in den einzelnen Ländern und Diözesen umgesetzt wird und kann so sicherlich mit der Glaubenskongregation zusammenarbeiten. Aber sie kann ja nicht deren Arbeit machen, weil die Glaubenskongregation seit zwölf, dreizehn Jahren auch die ganzen Strafprozesse durchführt, die Missbrauchstäter im kirchlichen Raum betreffen. Das kann sicher nicht die Aufgabe der neuen Kommission sein.“


Die Glaubenskongregation sei mit vielen Fragen befasst, die auch in der Aufgabenbeschreibung der neuen Kommission stehen, sie könne sie jedoch „aus Personalmangel überhaupt nicht leisten“, so Zollner. Die Kinderschutzkommission könne hier als Ergänzung gesehen werden:


„Insofern sehe ich diesen Schritt tatsächlich als eine Antwort auf die ganzen Fragen, die mit den Missbrauchsfällen in der Kirche verbunden sind. Um nur einige Beispiele zu nennen, die sicher sehr auf den Nägeln brennen: Wie kann man Opfern gerecht werden? Wie kann man die Strafprozesse gegen die Täter beschleunigen? Was tun wir mit Priestern, die als Täter verurteilt sind? Also hier sind viele Felder, die die Glaubenskongregation nicht bearbeiten kann und die auch nicht in ihrer Kompetenz stehen (…) auch der ganze Bereich der theologischen Auseinandersetzung kann nicht Aufgabe der Glaubenskongregation sein, sondern da muss es um einen Mobilisierungseffekt gehen, der auch durch diese Kommission weiter vertieft wird: Wie können wir weltweit als Kirche uns dem Thema stellen?“


Die Aufgaben der zukünftigen Kinderschutzkommission werden vielfältig sein; sie sollen offenbar von Seelsorge für Betroffene über Fortbildungsangebote bis hin zu Fragen der Gesetzgebung reichen. Zollner sieht das Spektrum insgesamt als „Mammutaufgabe“. Die zwölf Mitglieder könnten dies kaum alleine leisten.


„Es kann nur subsidiär gehen. Das heißt, diese Kommission kann nur bestimmte Bereiche, einen nach dem anderen, anschauen und für die lokalen Kirchen, die Diözesen, Bischofskonferenzen Vorschläge machen dazu, wie diese Bereiche auch tatsächlich aktiviert werden können. Im Sinne der Fragen: Welche guten Erfahrungen gibt es zum Beispiel im Umgang mit den Medien, in den Aufnahmeverfahren für die Priesterkandidaten, in Bildungsprogrammen für Kinder, Erwachsene und pastorale Mitarbeiter etc.“


(rv 06.12.2013 pr)








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