Um Franziskus und die Reform der Kirche ging es am Freitag im Vatikan. Gemeint war
allerdings der heilige Franz von Assisi, nicht der heutige Papst. Vor der Kurienspitze
und dem Papst predigte der Kapuzinerpater Raniero Cantalamessa in seiner ersten von
insgesamt drei „Adventspredigten“ über den mittelalterlichen Heiligen, und was man
noch heute von ihm lernen kann. Franz von Assisi sei, so zitierte er Yves Congar,
das klarste Beispiel für eine Reform der Kirche durch Heiligkeit.
„Viele
Gruppen hielten der Kirche damals das Ideal der Armut und evangelischen Einfachheit
entgegen, machten daraus allerdings eine polemische Waffe und nicht so sehr ein geistliches
Ideal, das es in Demut zu leben gelte. So stellten sie auch das Amt in der Kirche,
das Priestertum und das Papsttum in Frage. Wir sind daran gewöhnt, den heiligen Franziskus
als den Mann der Vorsehung zu sehen, der diesen Volkswunsch nach Erneuerung aufgreift,
ihn von seiner polemischen Aufladung befreit und in der Kirche umsetzt. Franziskus
also als eine Art Vermittler zwischen den häretischen Rebellen und der institutionellen
Kirche... In der Praxis ist das der Versuch, aus Franziskus einen Vorläufer Luthers
zu machen – also einen Reformator durch Kritik und nicht durch Heiligkeit.“
Cantalamessa
sagte nicht, dass auch die Namenswahl des Papstes – Franziskus – diese Reform-Assoziationen
für die Kirche von heute weckt. Stattdessen arbeitete er heraus, dass der heilige
Franz von Assisi „nie auch nur den Gedanken gehabt“ habe, ein Reformer der Kirche
zu sein.
„Man muss aufpassen, dass man keine falschen Schlüsse aus den
berühmten Worten des Kruzifixes in San Damiano zieht: Geh, Franziskus, und bau meine
Kirche wieder auf, die, wie du siehst, in Trümmern liegt. Die Quellen selbst versichern
uns, dass er diese Worte konkret darauf bezog, das Kirchlein von San Damiano wiederzuerrichten.
Es waren erst seine Schüler und Biographen, die diese Worte – nicht zu Unrecht, das
muß man sagen – auf die institutionelle Kirche bezogen. Franziskus selbst aber blieb
immer bei seiner wörtlichen Interpretation – und baute tatsächlich mehrere kleine
Kirchen, die rund um Assisi in Trümmern lagen, wieder auf.“
Auch der berühmte
Traum Innozenz III., in dem der „Poverello“ die Lateranbasilika stützte, „sagt kein
bisschen mehr aus“, so Pater Cantalamessa. Derselbe Traum werde Innozenz auch mit
dem heiligen Dominikus als Protagonist zugeschrieben. Allemal müsse man beachten,
dass hier der Papst geträumt habe und nicht Franziskus. Nein, Franziskus, sei „unbewusst“
ein Erneuerer gewesen.
„Franziskus machte zu seiner Zeit das, was auch das
Zweite Vatikanische Konzil beabsichtigte mit dem Motto: Die Mauern niederreißen. Die
Isolierung der Kirche aufbrechen, sie wieder in Kontakt mit den Menschen bringen...“