2013-12-05 11:18:19

Diplomat im Habit des Vatikan-Journalisten: Edmund Raitz von Frentz


RealAudioMP3 Vaticanista, Vatikanberichterstatter, ist kein Beruf, der erst mit den „Vati-Leaks“ entstanden ist, dem Dokumentendiebstahl vom Schreibtisch des Papstes im letzten Jahr. Vatikanberichterstatter gibt es, seit es kirchennahe Medien gibt. Heute stellen wir Ihnen einen deutschen Journalisten vor, der zwischen 1924 und 1964 in Rom wirkte und für katholische Blätter in Deutschland schrieb. Diese 40 Jahre decken die spannungsreichste Zeit Europas im vergangenen Jahrhundert ab: Faschismus, Nationalsozialismus, Krieg. Edmund Raitz von Frentz (1887-1964), so heißt der Vatikanberichterstatter, von dem hier die Rede ist, schrieb also in teils sehr schwierigen Zeiten über Papst und Kirchenpolitik. Ein Porträt von Gudrun Sailer.

Bilder vom päpstlichen Hof aus den 1930er Jahren. Einer überragt alle anderen stets um Haupteslänge. Ein distinguierter Herr im Frack mit Orden und jener voluminösen weißen Halskrause, die an spanische Hof-Gemälde des 18. Jahrhunderts erinnert. Das ist Edmund Freiherr Raitz von Frentz, von Beruf Journalist. Ein Journalist mit einer für heutige Begriffe höchst ungewöhnlichen Doppelberufung: Wenn Raitz von Frentz nicht gerade an Zeitungsartikeln feilt, versieht er einen Ehrendienst am Hof des Papstes. Er ist „Päpstlicher Geheimkämmerer“. „Das war eine Ehrenstellung, die katholischen Adeligen vorbehalten war,“ sagt der Historiker Andreas Burtscheidt. Er hat eine ausgezeichnet dokumentierte Biographie über Edmund Raitz von Frentz vorgelegt und präsentierte sie vergangenen Samstag im Römischen Institut der Görresgesellschaft auf dem Camposanto Teutonico.

„Raitz von Frentz hatte das Vorrecht, im ersten Empfangssaal des Papstes den Ehrendienst zu versehen, was zur Folge hatte, dass er Staatsgäste zum Papst geleiten durfte, auf dem Weg dorthin konnte er sie schon mit einigen Informationen versehen. Man muss sich vorstellen, dass er ein bis zweimal die Woche diesen Dienst versah und bei der Gelegenheit immer wieder mit Kardinalstaatssekretär Pacelli sprach.“

Diesen Eugenio Pacelli, den späteren Papst Pius XII., kannte Raitz von Frentz schon seit 1921, als der Geistliche päpstlicher Nuntius in Deutschland war. Der Journalist unterhielt in Rom aber auch beste Kontakte zur deutschen Diplomatie. In einem Zeitalter, als Pressekonferenzen im Vatikan noch in sehr weiter Ferne lagen, brauchte Raitz von Frentz nichts anderes zu tun, als dort, wo er ohnehin verkehrte, Augen und Ohren zu benutzen – und gelangte auf diese Weise zu den Informationen, die er für seine Arbeit benötigte. Er wurde sogar selbst zur Informationsquelle, nicht bloß über seine Texte, sondern in einem gewissermaßen diplomatischen Sinn. Der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl Diego von Bergen holte sich bei Raitz von Frentz Informationen aus dem Vatikan, und auch Kardinalstaatssekretär Pacelli unterhielt sich aus bestimmten Gründen immer gerne mit dem Journalisten.

„Das ist 1932/33 von enormer Bedeutung gewesen, weil Pacelli sich Raitz von Frentz bedient hat, um Informationen aus dem deutschen Zentrumsmilieu von ihm direkt zu erfahren, und das war in der Phase des Machtwechsels und den Monaten des Reichskonkordats von sehr großer Bedeutung.“

Mit einem Wort, Raitz von Frentz war ein Diplomat im Habit des Journalisten. Der promovierte Jurist schrieb für die großen Blätter der Zentrumspartei, jener einflussreichen katholischen Partei, die 1933 nach Hitlers Machtergreifung aufgelöst wurde. Immer wieder wurde der Nazigegner Raitz von Frentz im Vatikan Augenzeuge von Entscheidungen und von Stimmungen.

„Es gab ein interessantes Gespräch unter sechs Augen zwischen Pacelli, Pius XI. und Raitz von Frentz, den man hinzubat eine Woche nach der Machtergreifung Hitlers. Er hat einen Brief geschrieben, in dem er schildert, wie beide auf den Regierungswechsel reagiert haben, nämlich in einer sehr niedergedrückten Stimmungslage. Man hat nicht damit gerechnet. Pius XI. war höchst überrascht, dass es so schnell zu einer Ernennung Hitlers gekommen war, und die Klarsichtigkeit Pacellis spricht aus allen Zeilen, die Raitz von Frentz überliefert hat, dass er nämlich klar gesehen hat: die demokratischen Kräfte in Deutschland sind nicht mehr zu retten, das wird untergehen, wir müssen uns auf Konsequenzen einstellen.“

Mit der braunen Wende in Deutschland geht, wie immer in Diktaturen, auch ein publizistischer Umbruch einher. Die katholischen Blätter geraten schwer unter Druck. Die Journalisten entwickeln Fingerfertigkeit in der Kunst des Zwischen-den-Zeilen-Schreibens oder des wissentlich-an-der-Sache-Vorbei-Schreibens. Ein Meisterstück dieser Kategorie ist die Berichterstattung Raitz von Frentz´ zum Hitlerbesuch in Rom vom Mai 1938. Papst Pius XI., der als ausgesprochener Hitlergegner ein Jahr davor in seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“ den braunen Rassenwahn gegeißelt hat, weist die Vatikanzeitung „L´Osservatore Romano“ an, kein Wort über diesen Staatsbesuch bei Mussolini zu verlieren. Der Papst selbst verlässt demonstrativ Rom Richtung Castelgandolfo, als Hitler anreist. Dasselbe hätte gerne auch Raitz von Frentz getan, gleichwohl: Er kann es sich nicht erlauben.

„Für Raitz von Frentz war klar, eine Protesthaltung hätte ihm sofort die Arbeit gänzlich unmöglich gemacht. Er war nie Mitglied der NSDAP geworden, diese wiederum hatte sich in Rom bereits mit einer Außenorganisation etabliert, es gab die NSDAP Ortsgruppe in Rom, und der Leiter dieser Gruppe konnte Raitz von Frentz nicht ausstehen, weil er in ihm einen Gegner sah, der ein Mittelsmann des deutschen Episkopates bei der Kurie war. Als Hitler kam, musste er gute Miene zum bösen Spiel machen. Er kaufte sich extra eine neue Paradeuniform des Geheimkämmerers, um den Führer zu begleiten, traf Hitler sogar einmal persönlich in den Kapitolinischen Museen, und er hat Berichte darüber geschrieben wie ein antiker Odenschreiber, der den Imperator beim Rundgang durch die Stätten des Altertums bewundert – allerdings vollkommen unpolitisch.“

Am 10. Februar 1939 starb Pius XI., sein Nachfolger wurde Kardinal Pacelli, der sich den Namen Pius XII. gab. Wenige Monate darauf entfesselte Hitler den II. Weltkrieg. Raitz von Frentz blieb nur noch ein schmales publizistisches Betätigungsfeld, denn Journalismus funktioniert nur in der Muttersprache: Raitz von Frentz war an den deutschen Sprachraum gebunden. Im September 1943 besetzten deutsche Truppen für neun Monate Rom. Mit seiner Frau Martha flüchtete Raitz von Frentz in den Camposanto.

„Er war Mitglied der dort ansässigen Erzbruderschaft, was ihm das Anrecht verlieh, glaubte er zumindest, dort zu wohnen. Man hat das größte Zimmer, das Bischofszimmer, für ihn hergerichtet, weil es das einzige Zimmer war, wo ein Ehebett Platz hatte. Dann hat er sich zwei Jahre bis 1945 im Camposanto aufgehalten und sich dort auch an kleinen Hilfsaktionen beteiligt, um jüdische Bürger zu retten.“

Die Erleichterung war groß, als im Juni 1944 die Alliierten eine Ewige Stadt befreiten, die von Bombardierung und Zerstörung gottlob weitgehend verschont geblieben war. Raitz von Frentz versuchte, als Journalist wieder in die Gänge zu kommen. Doch der 58-Jährige fand keinen Anschluss mehr.

„Er konnte nicht mehr wie in den Jahren der Weimarer Zentrumspresse an die große Tradition anknüpfen. Die Blätter waren untergegangen, und es wurden neue gegründet. Damit kam aber auch eine neue Journalistengeneration ins Spiel, die ihn mehr und mehr als Fossil wahrnahm, als Hofberichterstatter aus alten Zeiten, der informativ war und viel zu sagen hatte, aber eben in einem betulichen Stil, der in der Nachkriegszeit der 50er und 60er Jahren nicht mehr ankam.“

Das Konzil nahm er hochbetagt noch am Rande wahr. Edmund Freiherr Raitz von Frentz starb am 2. November 1964 in Rom; er ist im Camposanto Teutonico im Vatikan begraben.

Hier noch der passende Buchtipp: Andreas Burtscheidt, Edmund Freiherr Raitz von Frentz. Rom-Korrespondent der deutschsprachigen katholischen Presse 1924-1964, Verlag Ferdinand Schöningh.

(rv 05.12.2013 gs)









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