Christian Rathner: Durch die Krise kommt keiner allein. Was Griechenland Europa lehrt.
„Durch die Krise kommt
keiner allein. Was Griechenland Europa lehrt“. So heißt das neue Buch des ORF-Religionsjournalisten
Christian Rathner. Darin behandelt Rathner die Wirtschafts- und Sozialkrise in Griechenland
im großen europäischen Kontext. Seine zentrale These: „Griechenland geht uns alle
an. Neue Formen des Miteinanders sind dringend gefragt.“ Ohne gesamteuropäische Solidarität
könne es letztlich für den gesamten Kontinent keinen Ausweg aus der Krise geben.
Immer
mehr Menschen rutschen in Griechenland in Armut und Obdachlosigkeit ab, eine Besserung
ist nicht in Sicht. Das ist die Bestandsaufnahme des Journalisten, der ab 2010 in
dem Land recherchierte und private sowie kirchliche Hilfsprojekte besuchte. Rathner
leuchtet die wirtschaftlichen Hintergründe der Krise aus und zeigt, dass das Problem
nicht nur hausgemacht ist und auf innergriechische Korruption und Misswirtschaft zurückgeführt
werden kann. Und er zeichnet beunruhigende Folgen der Krise nach: Die Verführungskraft
radikaler Positionen wächst und die neonazistische Partei „Goldene Morgenröte“, Chrysi
Avgi (XA), bekomme immer mehr Zulauf, referierte der Journalist bei der Präsentation
seines Buches in Wien:
„Sie regieren zwar nicht, aber sie sind an der
Macht, weil sie viele ihrer Ideen schon durchsetzen können. Chrysi Avgi macht auch
vordergründig Solidaritätsaktionen: Man hilft Menschen in Not, aber nur den ethnischen
Griechen. Sie haben durchgesetzt, dass nur ethnische Griechen Polizisten werden dürfen
usw., sie wollten eine Blutbank nur für Griechen. Also das geht immer gegen Ausländer,
,Griechenland den Griechen‘ ist die Devise.“
Man könne nur hoffen,
dass die griechische Demokratie stark genug sei, dagegen zu bestehen, so der Journalist.
Er berichtet auch über Verbindungen der Gruppierung zu staatlichen Exekutivorganen:
„Es
gab ja einige Tage bevor die Verhaftungswelle gegen die ,Goldene Morgendämmerung‘
eingesetzt hat, auch Putschgerüchte in Athen. Und man weiß, dass Chrysi Avgi (XA)
sehr gute Kontakte zur Polizei und zum Militär hat. Das ist nicht nur ein kleiner
gefährlicher Trupp, sondern da ist wirklich eine Gefahr.“
Auch die
Faszination der Menschen für die griechische Militärjunta und Militärdiktatur habe
in der Krise wieder zugenommen, beobachtet Rathner.
„Dass es plötzlich
wieder durchaus ,en vogue‘ ist, die Generäle von damals für Politiker zu halten, das
auch öffentlich zu sagen. Man merkt, wie wenig aufgearbeitet diese Zeit ist, und in
vielen Köpfen spielt das jetzt eine ziemlich fatale Rolle.“
Insgesamt ist
Rathners Buch als Appell zu mehr Solidarität in Europa zu lesen. „Neue Formen des
Miteinanders sind dringend gefragt“, erinnert der Journalist. Ohne gesamteuropäische
Solidarität könne es letztlich für den gesamten Kontinent keinen Ausweg aus der Krise
geben. Christian Rathner: „Durch die Krise kommt keiner allein. Was Griechenland
Europa lehrt“, Styria-Verlag 2013, ca. 25 Euro.