Hunderte Menschen
werden Jahr für Jahr in Deutschland inhaftiert, ohne dass sie ein Gericht verurteilt
hätte: Sie kommen in Abschiebehaft. Ein Münchner Jesuit hat versucht, die Praxis der
Abschiebehaft in Bayern aufzubrechen - mit erstem Erfolg. Dieter Müller vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst
kritisiert im Kölner Domradio die gemeinsame Unterbringung von Kriminellen und Flüchtlingen.
„Sie
fühlen sich natürlich kriminalisiert. Sie sind den Sicherheitsanforderungen eines
Gefängnisses, eines richtigen massiven Gefängnisses unterworfen. Und diese Regeln
sind halt naturgemäß weitaus strikter als in speziellen Einrichtungen, in denen nur
Abschiebungshäftlinge, also nur ausreisepflichtige Flüchtlinge sitzen. In den speziellen
Abschiebehafteinrichtungen gelten hingegen zum Teil eigene Vollzugsgesetze, die weit
lockerer sind, weil ein Abschiebungshäftling nichts verbrochen hat, da gibt es keinen
Grund, warum der innerhalb einer geschlossenen Einrichtung nicht telefonieren sollte
und sich nicht frei bewegen dürfte.“
Haftvollzug ist Ländersache, erklärt
Jesuit Müller. Nach Europarecht soll es spezielle Einrichtungen eigens für Flüchtlinge
geben, was bisher in Bayern nicht der Fall sei.
„Wir haben seit etwa sechs
bis acht Wochen Beschwerdeverfahren hier in Bayern laufen. Ich habe mit vier Anwälten
vereinbart, dass wir möglichst viele Haftbeschwerden einlegen. Ausschlaggebend war
im Sommer ein Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofes an den Europäischen Gerichtshof,
in dem der BGH den EuGH fragte: Ist es richtig, dass in Deutschland Abschiebungshäftlinge
in normalen Gefängnissen untergebracht werden? Müssten die nicht eigentlich in eigenen
Einrichtungen sitzen? Und aufgrund dieses Vorlagebeschlusses haben wir uns entschlossen,
die unteren Instanzen, also die Landgerichte, auch mit dieser Frage zu konfrontieren.
Und in den letzten sechs bis acht Wochen haben wir ungefähr knapp 70 Haftbeschwerdeverfahren
angestrengt und mittlerweile sind auch die maßgeblichen Landgerichte hier in Bayern
auf unserer Seite, insofern dass sie sagen: Wir müssen die Haft vorerst aussetzen,
wir können die Abschiebehäftlinge nicht weiterhin in Haft belassen, wenn ein Beschluss
des EuGH ansteht – und der könnte ja positiv im Sinne der Häftlinge ausfallen.“
Das
werde Signalwirkung nun auch für andere Bundesländer haben, ist sich Müller sicher.
So habe zum Beispiel ein Gericht in Görlitz in Sachsen genau so entschieden wie die
bayrischen Gerichte: Die Haft sei auszusetzen.