2013-10-25 13:47:38

Bulgarien/Griechenland/Österreich: Die kleine blonde Maria


RealAudioMP3 Die Geschichte des kleinen blonden Mädchens Maria, das in Griechenland seinen mutmaßlichen Adoptiveltern weggenommen wurde, hält sich seit Tagen in allen europäischen Medien. Das Kind ist weißblond, die Eltern hingegen – sie gehören der Volksgruppe der Roma und Sinti an – sind dunkelhäutig. Da liege ein Fall von Kindesentführung vor, lautete die Mutmaßung zumindest anfänglich. Europas Roma und Sinti verfolgen den Fall Maria mit wachsender Empörung, erzählt uns Emmerich Gärtner-Horvath. Er leitet den Roma-Service der ostösterreichischen Diözese Eisenstadt, in der eine nicht kleine Minderheit Roma und Sinti lebt.

„Man leidet mit, was da passiert. Es herrscht Solidarität. Ich werde von Roma-Angehörigen im ganzen Burgenland kontaktiert und gefragt, was da los ist. Man ist sehr betroffen.“

Das Üble an der öffentlichen Darstellung des Falles Maria ist, dass da ein uraltes, hässliches Klischee bedient wird, sagt Gärtner-Horvath.

„Das gilt dann für die ganze Volksgruppe. Da heißt es wiederum, unter Anführungszeichen, die Zigeuner stehlen die Kinder. Das ist aber eine falsche Unterstellung.“

Die mutmaßlichen Adoptiveltern der kleinen Maria sagten in Griechenland aus, sie hätten das Mädchen als Säugling von bulgarischen Roma bekommen, die es nicht selbst hätten ernähren können. Gärtner-Horvath war selbst im Auftrag seiner Diözese vor Jahren in einer großen bulgarischen Roma-Siedlung und kann sich gut an die bedrückenden Lebensumstände dort erinnern. Deshalb glaubt er das, was Marias Adoptiveltern sagen, aufs Wort.

„Ich kann es mir zu 99,9 Prozent vorstellen, dass es so war, weil es mir als ich in Bulgarien war, genauso angeboten wurde, nur von einem älteren Kind. Da war ein zehnjähriger Junge, der für einen Sechsjährigen gesorgt hat. Die beiden haben mich gebeten, sie nach Österreich mitzunehmen, weil sie hier keine Chance, keine Zukunft und auch keine Eltern haben. In Bulgarien kann ich sagen, dass sie chancenlos leben müssen, fast ohne Zukunft.“

Gärtner-Horvath ist selbst Rom, ein österreichischer Rom. Für das Verhalten der mutmaßlichen leiblichen Eltern Marias in Bulgarien bringt er Verständnis auf.

„Wo es um das soziale Umfeld einer Familie geht, wo sie es einfach nicht mehr schaffen, Kinder zu ernähren, weil ihnen das tägliche Brot fehlt, dann ist das für mich kein großes Verbrechen. Nur hätte man es legal machen können, wenn man zu den Ämtern hingegangen wäre und gesagt hätte, ich gebe das Kind zur Pflege frei, bis ich mich wieder erholt habe. Man muss die Leute nur aufklären, was es für Möglichkeiten gibt, sodass es auch rechtlich abgesichert ist. Aber wenn der Beamte darüber Bescheid weiß und es gibt etwas Schriftliches darüber, dann gibt es sicher nicht die Konflikte oder Probleme, die jetzt in den Medien populär gemacht werden.“

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, der Fall Maria errege anhaltendes Aufsehen schlicht wegen der Haarfarbe des Mädchens. Maria wird kraft ihres Blondseins als „eine von uns“ empfunden, als Angehörige einer Mehrheit, die es vor der angeblich kriminellen Minderheit der Roma und Sinti zu schützen gilt. Wäre das Mädchen dunkelhäutig und schwarzhaarig, wäre nicht nur ihr Fall wahrscheinlich nie an die Öffentlichkeit gelangt, er würde sich dort jedenfalls nicht so lange halten, öffentliche Empathie und Emotion wären wohl geringer. „Rassistisch“ nennt Gärtner-Horvath das. Blondsein sei nicht der Mehrheit vorbehalten.

„Mein Sohn ist auch blond. Mein Neffe fast rothaarig. Es gibt hellhäutige Roma, dunkelhäutige Roma, es gibt die Haarfarbe rot, schwarz, blond. Nur von dem her, was man sieht, kann man nicht zweifelsfrei sagen, das ist ein Rom.“

Überhaupt, die Bilder der Roma-Minderheit in der Öffentlichkeit. Gärtner-Horvath sieht eine lange Geschichte der Manipulation der Mehrheit, und der Ausgrenzung der Minderheit mittels manipulierender Bilder. Nochmals erinnert er sich an das, was er bei den Roma in Bulgarien sah:

„Teilweise sind das Blechhütten, wo die Menschen leben müssen. Ich war in diesen Hütten drin, innen ist es schön und gepflegt. Aber von außen schaut es aus, dass man sagt, hier kann man nicht wohnen. Wenn man das jetzt im Fernsehen sieht, ist es klar, dass die alten Bilder wieder hervorkommen, diese Bilder aus dem 19. Jahrhundert, die an die Bevölkerung weitergegeben wurden. Man hat nur Fotografien weitergegeben (von Roma) mit vielen Kindern, auch gestellte Bilder wurden verbreitet. Zum Beispiel gab es in den 1930er Jahren auch schöne Häuser (von Roma). Die findet man in keinem Archiv, weil sie nicht fotografiert wurden. Man hat nur die Bilder gezeigt, von denen man glaubte, damit kann man Rassismus schüren. Und das, glaube ich, passiert auch jetzt zum Teil. Das Bild mit dem Vater und der Mutter und dem Kind…das zeigt ein negatives Bild dieser Volksgruppe.“

(rv 25.10.2013 gs)








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