2013-10-11 15:30:39

Religionsfreiheit: „Vielschichtiger Kampf um ein Menschenrecht“


RealAudioMP3 Kirche muss klar und selbstbewusst für den Schutz der Religionsfreiheit eintreten. Das betont Bischof Stephan Ackermann mit Blick auf Einschränkungen der Religionsfreiheit in den säkularen Ländern des Westens. Ob bei Debatten um religiöse Symbole oder bei Urteilen wie dem zur religiösen Beschneidung jüngst in Deutschland – die katholische Kirche und ihre Mitglieder müssten sich engagiert in die öffentliche Diskussion einbringen, plädierte der Trierer Bischof am Donnerstagabend in Rom. Dabei seien Bestimmtheit und zugleich eine Haltung der Bescheidenheit wichtig, so Ackermann: Die Kirche dürfe sich weder als Opfer darstellen noch auftrumpfend die Wahrheit predigen. Ackermann trug am Donnerstagabend in der Deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl Überlegungen zur Frage der Religionsfreiheit vor. Radio Vatikan hat mit ihm am Rande der Veranstaltung gesprochen.

„Auf der einen Seite leben wir in einer viel pluraleren Gesellschaft, es gibt eine Fülle von Weltanschauungen aber auch Religionen, dann gibt es aber auch eine stärker werdende Strömung eines aggressiveren Säkularismus, deren Vertreter ja versuchen, Religion aus dem öffentlichen Raum zu verbannen. Sie drängen vor allem auch auf die Trennung von Religion und Staat und meinen dabei besonders die Kirchen – in dem Sinne, dass man vermeintliche Privilegien, die die Kirchen haben, aufgibt bzw. aufkündigt.“

Als solche „Privilegien“ werten Verfechter einer strikten Trennung von Staat und Kirche in Deutschland zum Beispiel staatliche Förderungen für die Kirchen, den kirchlich ausgerichteten Religionsunterricht und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen. In Deutschland gibt es – anders als etwa in Frankreich – keine radikale Trennung von Staat und Kirche im Sinne eines strikten Laizismus. Trotz der Versuche, Religion auch in Deutschland aus dem öffentlichen Leben zu verbannen, sieht Ackermann so ein Modell für sein Land nicht kommen:

„Ich glaube, dass die Situation insgesamt eben vielschichtig ist. Es ist natürlich so, gerade in Deutschland auch, durch die große Zahl der Muslime und ihre Weise, sich zu artikulieren, dass das Thema Religion noch einmal anders in der Öffentlichkeit präsent ist. Es gibt auf der einen Seite eine hohe Aufmerksamkeit für die Religion, zugleich einen aggressiven Säkularismus und dann Menschen, die eine neue religiöse Empfindsamkeit haben und die sich in unserer modernen Gesellschaft aber deshalb nicht einfach mehr an Kirche binden.“

Anders sieht es aus in Ländern, wo Christen eine Minderheit bilden. In Nordkorea, der Volksrepublik China, Vietnam, Pakistan und Indien sind die Minderheitenrechte kaum wirklich geschützt. Im Bereich der Religion zeigt sich dies in Benachteiligung und Diskriminierung von Minderheiten, darunter Christen, bis hin zu ihrer offenen Verfolgung. Die aktuelle Situation bedrängter Christen in der Welt hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) jüngst in einem ökumenischen Bericht dargelegt, der zusammen mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) erstellt wurde. Die christlichen Minderheiten im Nahen Osten und in Nordafrika hätten es derzeit doppelt schwer, so der Vorsitzender der deutschen Kommission „Justitia et Pax“:

„Immer wieder sagen ja auch Amtsträger, Bischöfe (aus diesen Regionen, Anm. d. Red.): Wir werden nicht in dem Sinne verfolgt, aber wir sind die Leidtragenden insgesamt. Und wir wissen nicht, wie sich die Situation entwickeln wird. Das gilt ja für die ganze Zone der Länder des so genannten Arabischen Frühlings: Wenn sich stärker solche islamistische Regime etablieren, dann wird es auch für die Christen doppelt schwierig.“

In Syrien berichten Kirchenvertreter etwa von einem zunehmenden Einfluss radikaler Islamisten in den Reihen der Opposition, der die Christen im Land mehr und mehr bedrängt. Jüngstes Beispiel: der Überfall al Qaida-naher Kämpfer auf das Christendorf Maaloula bei Damaskus, wo es auch Versuche der Zwangskonvertierung gegeben haben soll. Mit Blick auf die Lage der Christen in Syrien rät Ackermann davon ab, von „Christenverfolgung“ zu sprechen. Im Land selbst könnten solche Aussagen zusätzlichen Unmut gegenüber der religiösen Minderheit säen, gibt der Bischof die Sorge syrischer Kirchenvertreter wider. Und er betont, dass Religionsfreiheit als ein grundlegendes Menschenrecht schließlich alle religiösen Gruppen betreffe, nicht nur die Christen.

Christen treten in muslimischen Gesellschaften nicht selten als kulturelle Vermittler in Erscheinung, etwa im Bereich des Schulwesens, von dem auch die anderen Religionen profitieren. So sind in Indien und Ägypten etwa christliche Schulen sehr geschätzt. Warum gerät die moderate christliche Minderheit bei Konflikten wie etwa im Irak und aktuell Syrien zwischen die Fronten? Dazu Ackermann:

„Wir wissen ja aus den Sozialwissenschaften: Da, wo es schwierige Situationen gibt, wo Menschen in Konflikten sind, wo Bürgerkriegssituationen sind, wo auch Menschen im großen Stil unter Gewalt leiden, entladen sich Aggressionen auf Minderheiten. Also der Minderheitenstatus ist ein Punkt, den man bedenken muss. Dann ist es natürlich so, dass die Christen in diesen Ländern oft auch gut gebildet sind, d.h. auch zur Mittel- oder Oberschicht gehören, das natürlich auch nochmal in schwierigen Situationen Neid weckt. Und dann kann es natürlich zu der Situation kommen, dass gerade Christen im Ausland Zuflucht suchen, vielleicht auch Kontakte ins Ausland haben. Das ist ja das, was die Bischöfe vor Ort dann beklagen und sagen: Unser Land, zum Beispiel Irak, blutet sozusagen aus, wenn die Christen fliehen.“

Dieser Aspekt müsse auch in der aktuellen Debatte um die Aufnahme von Syrienflüchtlingen in Europa berücksichtigt werden, so Bischof Ackermann. Grundsätzlich plädiert er für mehr Großzügigkeit der Bundesregierung bei der Aufnahme dieser Kriegsflüchtlinge, das heißt für eine Aufnahme von mehr als 5.000 Syrienflüchtligen in Deutschland. Zugleich müsse man sich aber auch die Frage stellen:

„Tragen wir damit nicht zu einem Ausbluten dieser Länder bei? Man muss ja deutlich sagen, das müssen ja die Menschen selber entscheiden: Wie viel nehmen sie auf sich? Wo ist die Grenze der Zumutung erreicht auch für Familien? Man muss ihnen die Möglichkeit geben zu wählen, ob sie jetzt vor Ort bleiben unter diesen schwierigen Bedingungen und sozusagen aus dem Grenzgebiet wieder zurückkehren oder ob sie bei uns Zuflucht suchen.“

Papst Franziskus‘ Einsatz für Dialog und Frieden in Syrien sei auch in Deutschland auf fruchtbaren Boden gefallen, berichtet Bischof Ackermann weiter. Er lobt das Engagement des argentinischen Papstes für die Religionsfreiheit in Ländern, wo religiöse Minderheiten Diskriminierung ausgesetzt sind.

„Ich glaube, dass Papst Franziskus den Weg seiner Vorgänger im Bereich Religionsfreiheit konsequent weitergeht – wenn es um die Armen geht, wenn es um die Flüchtlinge geht, wenn es um besonders verletzliche Personen geht. Denken wir auch an seinen Besuch auf Lampedusa, der ja jetzt noch einmal durch die jüngsten Ereignisse eine unglaubliche Aktualität bekommen hat, und an seine Gebets- und Fasteninitiative für Syrien. Das sind sehr starke Zeichen, die auch wahrgenommen werden weit über den kirchlichen Raum hinaus. Ich konnte das in Deutschland erleben, dass Menschen sich wirklich spontan diesen Gebeten angeschlossen haben, auch Nicht-Katholiken, die gesagt haben: Das ist ein Zeichen der Solidarität, dem schließen wir uns an. Und ich glaube, dass das sehr stark wahrgenommen wird und dass gerade auch Verantwortliche in der Politik dem Papst dafür dankbar sind.“

(rv 11.10.2013 pr)










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