Neue Hinweise zum Einsatz des Vatikans gegen Judendeportation?
Der Vatikan hat den verfolgten Juden Roms während des Zweiten Weltkriegs möglicherweise
umfassender geholfen als bislang bekannt. Das schreibt die italienische Historikerin
Anna Foa in einem Gastbeitrag für die vatikanische Tageszeitung „L‘Osservatore Romano“
am Mittwoch. Darin präsentiert die in Rom lehrende Wissenschaftlerin mögliche Hinweise
auf eine geheime diplomatische Intervention des Vatikan zum Schutz der Juden vor weiteren
Verfolgungen durch die deutschen Besatzer nach der großen SS-Razzia am 16. Oktober
1943.
Für ein solches Eingreifen spreche, dass die Deutschen später kaum noch
Razzien durchführten, obwohl sich die Juden, die der ersten Razzia entkommen waren,
nicht selten in ihren ursprünglichen Wohnungen aufhielten und ihre Adressen den Besatzern
durch Listen bekannt waren, so Foa. Die rund 1.000 weiteren Juden, die nach dem 16.
Oktober 1943 deportiert wurden, seien größtenteils von den italienischen Faschisten,
illegalen Banden oder der römischen Polizei festgenommen worden. Die wenigen nach
dem 16. Oktober von Deutschen durchgeführten Festnahmen seien zudem vor allem auf
Hinweise italienischer Spione hin erfolgt.
Am 16. Oktober 1943 hatte die SS
in Rom 1.042 Juden verhaftet und in den folgenden Tagen in Konzentrationslager deportiert.
Nur 16 von ihnen überlebten. Bis zum Ende der deutschen Besetzung Roms im Juni 1944
wurden insgesamt 2.091 römische Juden in die nationalsozialistische Konzentrationslager
deportiert. Viele Juden konnten der Verfolgung entkommen, weil Papst Pius XII. veranlasste,
dass der Vatikan und römische Klöster ihnen ihre Pforten öffneten.
Als weiteren
möglichen Beleg für ihre These führt Foa zudem eine Bemerkung des damaligen deutschen
Botschafters beim Heiligen Stuhl, Ernst von Weizsäcker, von Ende Oktober 1943 an.
In einem Bericht an die Zentrale in Berlin schrieb von Weizsäcker, dass es in Rom
fortan „zweifelsohne“ keine Razzien mehr geben werde. Weizsäcker könnte in Gesprächen
mit Kardinalstaatssekretär Luigi Maglione ausdrücklich oder implizit „eine Art Pakt
mit dem Vatikan“ geschlossen haben, spekuliert Foa. Daran hätten sich die deutschen
Besatzer allerdings allenfalls teilweise gehalten. Der Beitrag im „L‘Osservatore Romano“
beruht auf dem neuen Buch der Historikerin „Portico d'Ottavia n.13. Ein Haus im Ghetto
im langen Winter 1943“.