Die Aufnahme von Syrien-Flüchtlingen durch europäische Staaten löst nicht die Krisensituation
vor Ort; Europa sollte sich lieber stärker für eine politische Lösung der Konfliktes
einsetzen. Daran hat jetzt die Caritas in Jordanien vor Journalisten in Amman erinnert.
Direktor Wael Suleiman sagte im Gespräch mit Kathpress:
Die meisten Flüchtlinge
würden in Europa nicht heimisch werden, zeigte sich der Caritas-Direktor überzeugt.
Es gelte vielmehr, den Menschen vor Ort zu helfen. Europa sei gefordert, finanziell,
vor allem aber auch politisch zu "helfen". Es brauche in Syrien endlich eine politische
Lösung. Sulaiman: "Das geht nur über den Dialog und sicher nicht mit militärischen
Mitteln." Auch wenn seit dem Ausbruch der Kämpfe in Syrien bereits mehr als 550.000
Flüchtlinge in Jordanien Unterschlupf gesucht haben, werde Jordanien die Grenzen zum
Nachbarland sicher nicht dichtmachen, betonte Suleiman. "Sicher nicht solange unser
Königshaus an der Macht ist. Das ist eine Frage der Menschenwürde." Die Prognosen
sehen allerdings düster aus: Sollte der Flüchtlingsstrom weiter anhalten, dann würde
der Anteil der Syrer in Jordanien in einem Jahr bei einer Bevölkerung von 6,8 Millionen
Menschen bereits 40 Prozent ausmachen. Da würden dann auch einige Tausend Flüchtlinge,
die von westlichen Staaten aufgenommen werden, keinen großen Unterschied mehr ausmachen,
so Suleiman. Ironischer Nachsatz: Wenn Österreich etwa bevorzugt Frauen, Kinder und
Christen aufnehmen will, werde sich Jordanien sicher dankbar zeigen, dass Männer und
möglicherweise gewaltbereite Islamisten im Land bleiben sollen. Caritas: bisher
150.000 Menschen versorgt Der Caritas-Direktor wies auch darauf hin, dass bei weitem
nicht alle Syrer illegal die Grenze nach Jordanien überschreiten würden. Die meisten
würden ganz legal mit ihrem Pass einreisen und versuchten, mit ihrem Ersparten durchzukommen.
Gerade auf diese Flüchtlinge richtet die Caritas ihren Fokus. Viele könnten sich bald
keine Wohnungen oder medizinische Versorgung mehr leisten. Die katholische Caritas
hat insgesamt bisher rund 150.000 Menschen versorgt, der überwiegende Teil davon Muslime. Wer
"illegal" über die Grenze kommt, wird von den Behörden in einem der großen Flüchtlingslager
in der Wüste untergebracht. Insgesamt soll sich die Zahl der dort befindlichen Flüchtlinge
aber auf nicht mehr als knapp 140.000 belaufen. Die Lebensbedingungen dort seien schlimm,
so Suleiman. Diese Menschen hätten oft alles verloren, vor allem auch jede Hoffnung
und Zukunftsperspektive. Eigentlich ein guter Nährboden für Islamisten. Doch hier
leiste die jordanische Regierung gute Arbeit, so Suleiman. Die Behörden würden strikt
gegen die Rekrutierung von Kämpfern für die Islamisten in Syrien vorgehen. Die Sicherheitslage
sei relativ gut, freilich gebe es große soziale Probleme und auch Kleinkriminalität.
Ein besonderes Probleme: Arme Familien würden ihre oft nicht einmal 14-jährigen Töchter
als "Ehefrauen" verkaufen. Nur rund drei Prozent der Bevölkerung Jordaniens sind
Christen. Gemäß ihrem Motto "Caritas ist kein Job, sondern eine Mission" arbeite die
"Caritas Jordan" nach den Worten Suleimans von Anfang an eng mit muslimischen Organisationen
zusammen. Man kümmere sich um alle Bedürftigen "ohne Diskriminierung". Vorbereitungen
auf Winter im Gange Die Caritas in Jordanien wurde 1967 gegründet. Sie ist eine
der ältesten NGOs im Land und war zu Beginn sogar die größte karitative Organisation
im Haschemiten-Königreich. Sie betreibt heute 80 Schulen und andere Bildungseinrichtungen,
Kliniken in ganz Jordanien, leistet humanitäre Unterstützung. Seit zwei Jahren steht
die Syrien-Hilfe im Fokus. Spezifische Projekte - mit Grundversorgung, Schulen, Ausbildung,
Betreuung - richten sich an Frauen, Kinder, Kranke und Behinderte. 1.500 Freiwillige,
Christen wie Muslime, unterstützen die Caritas bei ihren Aufgaben. Kooperationen gibt
es auch mit der österreichischen Caritas. Caritas-Direktor Suleiman hob auch die ausgezeichnete
Zusammenarbeit mit den jordanischen Behörden hervor. Mittlerweile befassen sich
die Flüchtlingshelfer mit der Winterplanung. Entsprechende Projekte zur Versorgung
mit Utensilien wie Zelte und Decken für die kalte Jahreszeit laufen mit Caritas Deutschland
und Caritas Dänemark. Auch eine Delegation von Caritas Österreich wird laut Suleiman
demnächst in Amman erwartet, um gemeinsame Hilfsprojekte zu besprechen.