Predigt von Papst Franziskus Hl. Messe mit den Katecheten zum Jahr des
Glaubens
1. „Weh den Sorglosen auf dem Zion und den Selbstsicheren … Sie liegen auf Betten
aus Elfenbein“ (vgl. Am 6,1.4), essen, trinken, singen, vergnügen sich und
kümmern sich nicht um die Probleme der anderen.
Es sind harte Worte, die
der Prophet Amos spricht, aber sie warnen uns vor einer Gefahr, die uns allen droht.
Was klagt dieser Bote Gottes öffentlich an, was stellt er seinen Zeitgenossen und
auch uns heute vor Augen? Die Gefahr, sich der Bequemlichkeit hinzugeben, der Weltlichkeit
im Leben und im Herzen, die Gefahr, unser Wohlergehen in den Mittelpunkt zu stellen.
Es ist die gleiche Erfahrung des Reichen im Evangelium, der sich in Luxus kleidete
und sich reichen Festmählern hingab – das war ihm wichtig. Und der Arme, der vor seiner
Tür lag und nichts hatte, um seinen Hunger zu stillen? Er ist nicht seine Angelegenheit,
er geht ihn nichts an. Wenn die Dinge, das Geld, die Weltlichkeit im Mittelpunkt unseres
Lebens stehen, dann ergreifen sie Besitz von uns und wir verlieren unsere menschliche
Identität selbst: Schaut genau, der Reiche im Evangelium hat keinen Namen, er ist
bloß „ein Reicher“. Die Dinge, die er besitzt, sind sein Gesicht, er hat kein anderes.
Aber
versuchen wir uns zu fragen: Wieso geschieht das? Warum geraten Menschen, vielleicht
auch wir, in die Gefahr, sich zu verschließen und die eigene Sicherheit auf Dinge
zu setzen, die uns am Ende das Gesicht, unser menschliches Gesicht rauben? Dies geschieht,
wenn wir das Bewusstsein für Gott verlieren. „Weh den Sorglosen auf dem Zion“, sagte
der Prophet. Wenn das Bewusstsein für Gott fehlt, flacht alles ab, alles geht über
auf das Ich, auf das eigene Wohlergehen. Das Leben, die Welt, die anderen verlieren
an Bestand und zählen nicht mehr. Alles reduziert sich auf eine einzige Dimension:
den Besitz. Wenn wir das Bewusstsein für Gott verlieren, büßen auch wir selbst Bestand
ein, dann werden auch wir leer, verlieren wir unser Gesicht wie der Reiche im Evangelium!
Wer den nichtigen Dingen nachläuft, wird selber zunichte – so sagt Jeremia, ein anderer
großer Prophet (vgl. Jer 2,5). Wir sind geschaffen nach Gottes Abbild und ihm
ähnlich – nicht nach dem Bild und Gleichnis der Dinge, der Götzen!
2. Nun,
wenn ich euch anschaue, frage ich mich: Wer ist ein Katechist? Es ist derjenige, der
das Bewusstsein für Gott bewahrt und nährt; er bewahrt es in sich selbst und weiß
es in den anderen wachzurufen. Es ist schön, sich Gott bewusst zu machen – wie die
Jungfrau Maria, die angesichts des wunderbaren Handelns Gottes in ihrem Leben nicht
an Ehre, an Ansehen oder an Reichtum denkt und sich nicht in sich selbst verschließt.
Im Gegenteil, nachdem sie die Botschaft des Engels aufgenommen und den Sohn Gottes
empfangen hat, was tut sie? Sie bricht auf, sie geht zur alten Verwandten Elisabeth,
die auch schwanger ist, um ihr zu helfen; und bei der Begegnung mit ihr ist das erste,
was sie tut, sich des Handelns Gottes bewusst zu werden, Gottes Treue in ihrem Leben,
in der Geschichte ihres Volkes, in unserer Geschichte: „Meine Seele preist die Größe
des Herrn … Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut … Er erbarmt sich
von Geschlecht zu Geschlecht (Lk 1,46.48.50). Maria hat ein Bewusstsein für
Gott.
In diesem Lobgesang Marias findet sich auch die Erinnerung an ihre persönliche
Geschichte, die Geschichte Gottes mit ihr, ihre eigene Glaubenserfahrung. Und so ist
es für jeden von uns, für jeden Christen: der Glaube enthält gerade das Bewusstsein
für die Geschichte Gottes mit uns, für die Geschichte der Begegnung mit Gott, der
sich als erster bewegt, der erschafft und erlöst, der uns verwandelt. Der Glaube ist
Sich-Bewusstmachen seines Wortes, das das Herz erwärmt, seines Heilshandelns, mit
dem er uns das Leben gibt, uns reinigt, heilt, nährt. Der Katechist ist eigentlich
ein Christ, der dieses Bewusstsein in den Dienst der Verkündigung stellt; nicht um
gesehen zu werden, nicht um von sich zu sprechen, sondern um von Gott zu sprechen,
von seiner Liebe, von seiner Treue. Er will über all das sprechen und all das mitteilen,
was Gott geoffenbart hat, das heißt die Lehre in ihrer Ganzheit, ohne etwas wegzunehmen
oder hinzuzufügen.
Der heilige Paulus empfiehlt seinem Jünger und Mitarbeiter
Timotheus besonders eines: denke, denke an Jesus Christus, der von den Toten auferstanden
ist, den ich verkündige und für den ich leide (vgl. 2 Tim 2,8-9). Aber der
Apostel kann so sprechen, weil er sich zunächst an Christus erinnert, der ihn gerufen
hat, als er noch die Christen verfolgte, der ihn mit seiner Gnade berührt und umgewandelt
hat. Der Katechist ist nun ein Christ, der in sich das Bewusstsein für Gott trägt,
der sich vom Bewusstsein für Gott in seinem ganzen Leben leiten lässt und der es versteht,
es in den Herzen der anderen wachzurufen. Das ist anstrengend! Es verlangt das ganze
Leben! Der Katechismus selbst, was ist er, wenn nicht Erinnerung an Gott, Erinnerung
an sein Handeln in der Geschichte, an sein Uns-nahe-Kommen in Jesus Christus, der
gegenwärtig ist in seinem Wort, in den Sakramenten, in der Kirche, in seiner Liebe?
Liebe Katechisten, ich frage euch: sind wir Bewusstsein an Gott? Sind wir wirklich
wie Wächter, die in den anderen das Bewusstsein für Gott wachrufen, welches das Herz
erwärmt?
3. „Weh den Sorglosen auf dem Zion“, sagt der Prophet. Welchen Weg
sollen wir durchlaufen, um nicht zu „sorglosen“ Menschen zu werden, die ihre Sicherheit
in sich selbst und in die materiellen Dinge setzen, sondern zu Männern und Frauen
mit einem Bewusstsein für Gott? Im Ersten Brief an Timotheus gibt der heilige
Paulus einige Hinweise, die auch den Weg des Katechisten, unseren Weg markieren können:
wir sollen nach Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Standhaftigkeit und Sanftmut
streben (vgl. 1 Tim 6,11).
Der Katechist ist ein Mensch des Bewusstseins
für Gott, wenn er eine beständige, lebendige Beziehung mit ihm und mit dem Nächsten
hat; wenn er ein Mensch des Glaubens ist, der wirklich Gott vertraut und auf ihn seine
Gewissheit setzt; wenn er ein Mensch der „hypomoné“ ist, der Geduld und Beständigkeit,
der Schwierigkeiten, Prüfungen und Erfolglosigkeit mit Heiterkeit und Hoffnung auf
den Herrn zu begegnen weiß; wenn er ein sanftmütiger Mensch ist, der fähig ist verständnisvoll
und barmherzig zu sein.
Bitten wir den Herrn, dass wir alle Männer und Frauen
sind, welche das Bewusstsein für Gott im eigenen Leben bewahren und nähren und im
Herzen der anderen wachzurufen wissen. Amen.