2013-09-25 14:36:13

Kenia: Kirche verurteilt Geiseldrama in Nairobi


Die kenianischen Bischöfe haben sich bestürzt über das Geiseldrama in dem Kaufhaus Westgate in Nairobi gezeigt. Es sei eine „schreckliche Tragödie“, schreiben sie in einer Pressemeldung, man bete darum, dass die „Gerechtigkeit siegen“ werde. Der Erzbischof von Nairobi, Kardinal John Njue, besuchte Verletzte des Anschlages in zwei Krankenhäusern. „Das Leben ist heilig, und niemand hat das Recht, es einem anderen zu nehmen. Wir müssen diese Heiligkeit des Lebens respektieren, egal, welcher Religion wir angehören“, so der Kardinal wörtlich laut fides. Ulrich Delius ist Afrikareferent bei der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) in Göttingen. Stefanie Stahlhofen hat mit ihm gesprochen.

„Der oberste Rat der Muslime hat sich von der Gewalt distanziert – es gibt also durchaus Stimmen, die sehr besonnen jetzt reagieren und sagen, wir dürfen uns nicht gewaltsam auseinanderdividieren lassen von diesen Terroristen. Ich denke, da ist auch die Stimme der katholischen Bischöfe ganz wichtig, jetzt noch einmal daran zu appellieren, einen kühlen Kopf zu bewahren und zu schauen, was die Interessen Kenias darin sind. Es geht eben auch darum, die Einheit des Landes zu sichern und sich nicht auf das Spiel der Terroristen einzulassen, die ja ganz gezielt auch wollen, dass es jetzt zu Übergriffen gegen Muslime kommt und dann wiederum Al-Shabaab sagen kann: ,,Wir haben es ja immer gewusst, wir Muslime werden hier unterdrückt und so weiter…’ Das ist dann die Gewaltspirale, die dann einsetzen würde, und das muss man um jeden Preis verhindern. Da muss man jetzt viel Verantwortungsgefühl zeigen.“

War es also möglicherweise auch ein strategischer Anschlag in dem Sinn, dass man gesehen hat, der christlich-islamische Dialog, geht gut voran und da wollte man nun wieder etwas Feindschaft säen?

„Ich denke, der Hauptgedanke war wahrscheinlich, sich noch einmal zurückzumelden, auf der internationalen Agenda deutlich zu machen, dass die Einschätzungen, Al-Shabaab ist zerschlagen und existiert nicht mehr, auch so nicht ganz stimmig sind. Das war sicherlich der Hauptgrund für diesen Anschlag, aber man zielt sicherlich auch auf diesen Dialog ab, an dem man keinerlei Interesse hat. Und wenn man sich anschaut, was momentan im Norden Nigerias passiert, mit dem Boko-Haram-Konflikt, was in Niger passiert… es gibt also eine Reihe von Ländern, wo die Gewalt tatsächlich sehr stark eskaliert und wo dann auch immer wieder Christen zur Zielscheibe der Gewalt werden. Und wir wissen ja, dass es sehr enge Kontakte gibt, zwischen Al-Shabaab und der Boko-Haram-Sekte im Norden Nigerias.“

Die Belagerung und die Gefechte mit den Sicherheitskräften in Nairobi dauerten mehrere Tage, mittlerweile heißt es, die Lage sei unter Kontrolle. Wie sind Ihre Informationen dazu?

„Die Belagerung scheint tatsächlich zu Ende zu sein, aber die Wunden, die dieser Terroranschlag in die gesamte Gesellschaft in Kenia gerissen hat, sind natürlich offen. Das ist das, was uns jetzt eigentlich auch am meisten Angst macht. Das eine sind die Opfer, die jetzt bei diesem schrecklichen Terroranschlag zu beklagen waren, das Andere ist, dass wir fürchten, dass dieser Terroranschlag jetzt noch einmal Diskriminierung und Ausgrenzung auslösen kann in Kenia, weil wir dort eben auch ziemlich viele Muslime im Land haben. Die fürchten jetzt, dass sie zu Sündenböcken werden, dass man sie pauschal des Terrorismus verdächtigt.“

Es war ja auch einer der verheerendsten Anschläge in der Geschichte Kenias…

„Es war einer der verheerendsten Anschläge, aber es war bei weitem nicht der erste Anschlag muslimischer Terroristen. Wir haben Anschläge auf Kirchen gehabt, wir haben Anschläge auf Hotelanlagen an der Küste gehabt, wir haben Anschläge auf Botschaften gehabt – es gibt da eine sehr lange Liste, immer wieder mit einem Hintergrund von Al-Shabaab aus Somalia. Dass das irgendwann kommen würde, hat eigentlich jeder vorausgesehen. Man wusste nur nicht genau, welches Ziel. Orte, an denen sich viele Ausländer aufhalten, wie solche Einkaufszentren, sind sozusagen prädestiniert für solche Anschläge, wo man ganz gezielt Ausländer treffen will. Warum gerade Kenia? Warum grade Nairobi? Nairobi sicherlich, weil man auch ganz genau weiß, dass in dieser Stadt die meisten ausländischen Medienkorrespondenten in ganz Afrika ihren Sitz haben. Hinzukommt, dass man Kenia für seine militärische Intervention im Süden des Landes Somalia gegen Al-Shabaab abstrafen wollte. Dort ist seid Herbst 2011 die kenianische Armee aktiv, sie hat Regionen besetzt und Al-Shabaab dort vertrieben, zerschlagen und dafür will man Kenia abstrafen. Das war eigentlich das Ziel.“

Wie stark ist denn Al-Shabaab jetzt noch?

„Was jetzt Al-Shabaab selber angeht, muss man sagen, das war wohl weniger Ausdruck der Stärke von Al-Shabaab, als vielmehr so ein letztes Aufbäumen, wo man deutlich machen will, wir stehen zwar militärisch mit dem Rücken zur Wand in Somalia, sind massiv von den Friedenstruppen der afrikanischen Union und auch von somalischen Truppen bedrängt, aber wir sind noch da und wir können zuschlagen, auch da, wo ihr euren Sitz habt, auch ganz in der Nähe der kenianischen Regierung.“

Am Samstag war in der kenianischen Hauptstadt Nairobi das Kaufhaus Westgate von islamistischen Terroristen der Al Shabaab-Miliz belagert worden. Nach tagelangem Kampf mit den Islamisten, die sich im Kaufhaus verschanzten und zahlreiche Geiseln nahmen, haben kenianische Sicherheitskräfte das Geiseldrama laut offiziellen Angaben beendet. Bislang wurden unter Sicherheitskräften und Zivilisten mindestens 67 Todesopfer festgestellt, über 175 Menschen wurden verletzt. Die für den Anschlag verantwortliche Islamistengruppe twitterte, 137 Geiseln getötet zu haben.

(rv/pm/fides 25.09.2013 sta/lh/pr)








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