Papst Franziskus hat den Präfekten der Glaubenskongregation am Samstag auf Dauer im
Amt bestätigt, andere Spitzenposten in der Kurie besetzte er dagegen neu. Radio Vatikan
gibt ein Interview mit Erzbischof Gerhard Ludwig Müller wieder, das die Katholische
Nachrichten-Agentur am Samstag anlässlich seiner Bestätigung im Amt führte.
KNA:
Herr Erzbischof, sind Sie erleichtert, dass Sie Ihren Job behalten dürfen?
Erzbischof
Müller: Das stand schon länger fest. Ich bin ja noch nicht so lange da. Papst Benedikt
XVI. hat mich noch ernannt, weil ich als Dogmatik-Professor in diesem Fach bewandert
bin und auch zehn Jahre Erfahrung als Bischof hinter mir habe. Und Papst Franziskus
kommt aus Lateinamerika, wo ich auch schon oft war.
KNA: Sie sprechen Spanisch,
wie der Papst. Hat das eine Rolle gespielt?
Müller: Das weiß ich nicht.
Normalerweise werden die Präfekten bei einem Papstwechsel immer bestätigt, mit ein
paar Ausnahmen, aber bei mir stand das nicht zur Diskussion.
KNA: Dürfen
jetzt ehedem gemaßregelte Befreiungstheologen auf eine Rehabilitation hoffen?
Müller:
Ich habe selbst keinen gemaßregelt (lacht). Im Gegensatz zu einer verbreiteten Meinung
waren die beiden Instruktionen von 1984 und 1986 kein großes Nein zur Befreiungstheologie,
sondern es wurden einige ihrer Aspekte diskutiert. Ihre wichtigsten Vertreter haben
eine gute Entwicklung genommen. Man sollte froh sein, wenn Spannungen nicht verschärft
und verewigt werden. Es ist auch Aufgabe unserer Kongregation, zur Versöhnung beizutragen.
Lagerbildung darf es in der Kirche nicht geben. Kommt es hier oder da zu Verhärtungen,
müssen wir sie überwinden und alle auf die Grundlagen des Glaubens zurückführen.
KNA:
Ihre Behörde wird vor allem in Deutschland oft als Zensurstelle für missliebige Theologen
wahrgenommen. Nach dem jüngsten Interview des Papstes kann man den Eindruck gewinnen,
auch Franziskus wolle an diesem Image etwas ändern.
Müller: Das Image
besteht, aber zu Unrecht. Auf 4.000 Ernennungen von Bischöfen und Theologieprofessoren
kommen vielleicht zehn Fälle, in denen das Nihil obstat („nichts steht entgegen“)
nicht erteilt werden kann. Das gibt dann ein großes Echo. Was wir positiv für die
Förderung des Glaubens tun, geht dabei unter. So leisten etwa die Theologenkommission
und die Bibelkommission, beide unserer Kongregation zugeordnet, viel Aufbauarbeit.
Dennoch müssen falsche Lehren zurückgewiesen werden. Da geht es nicht um folgenlose
Theoriegebilde. Ob Jesus der Sohn Gottes ist oder einfach nur ein guter Mensch, der
Sozialprogramme heutiger Parteien vorbereitet hat, ist nicht egal. Gesunde Lehre,
richtige Praxis und das ewige Heil gehören untrennbar zusammen.
KNA: Der
Papst hat bisher keine neue Lehre verkündigt. Offenbar will er aber andere Prioritäten
setzen in der Art, wie Kirche den Menschen gegenübertritt. Weniger dogmatisch-moralisierend,
dafür mehr pastoral. Trifft das den Kern seines Anliegens? Oder wie deuten Sie seine
Äußerungen?
Müller: Es ist ja nicht so, dass andere Bischöfe oder Papst
Benedikt XVI. in ihrer Verkündigung ständig über Abtreibung, Sexualmoral oder Euthanasie
gesprochen hätten. Und Pastoral ist nicht einfach ein therapeutisches Spiel. Sie will
den Menschen mit dem Wort Gottes dienen. Deshalb ist es nicht im Sinne des Erfinders,
die Glaubens- und Sittenlehre der Pastoral gegenüberzustellen. Das eine ist die Quelle
des anderen.
KNA: Was heißt das?
Müller: Wenn Christus nicht
der Mensch gewordene Sohn Gottes ist, kann er auch nicht der gute Hirte sein. Papst
Franziskus hat das besondere Charisma, dass er die Glaubenslehre der Kirche, an der
er uneingeschränkt festhält, wie er immer wieder betont, in eine besonders persönliche
Begegnung mit den Menschen umsetzen kann. Auch als Papst agiert er wie ein Seelsorger
vor Ort.
KNA: Wenn ich Franziskus richtig verstehe, wünscht er sich, dass
die nationalen Bischofskonferenzen gerade auch in strittigen Fragen selbst mehr Verantwortung
übernehmen, römische Instanzen eher subsidiär und als Dienstleister fungieren. Sehen
Sie dadurch auch die Arbeit Ihrer Kongregation betroffen?
Müller: Die Kongregation
ist im Auftrag des päpstlichen Lehramtes zuständig für die ganze Welt. Vor Ort lehrt
und leitet der Bischof die Kirche. Papst- und Bischofsamt sind göttlichen Rechts,
das sind Bischofskonferenzen nicht. Sie stellen Arbeitsgemeinschaften dar, aber ohne
eine eigene Lehrkompetenz, die über die Vollmacht des einzelnen Bischofs hinausgeht.
Sie sind also keine dritte Instanz zwischen Papst und Bischöfen. Also, ich glaube
nicht, dass jetzt wie beim Staat Zentralkompetenzen an die Länder abgegeben werden
nach Art einer Föderalismusreform. So ist die Kirche nicht verfasst. Die Gesamtkirche
besteht nach der Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils in und aus den Ortskirchen.
KNA:
Sie bleiben in Rom. Der Kardinalshut ist Ihnen in Kürze sicher. Oder wird der Papst
auch diesen Titel abschaffen?
Müller (lacht): Das denke ich nicht, obwohl
es auch hier nur um menschliches Recht geht. Kardinäle sind von ihrem Ursprung her
Kleriker der römischen Kirche, die dem Papst beratend zur Seite stehen. Doch auch
sie sind keine Zwischeninstanz zwischen Papst und Bischöfen.