2013-09-21 12:46:25

Unser Buchtipp der Woche


RealAudioMP3 Daniel Kehlmann, F. Roman. Rowohlt Verlag, ca. 23 Euro. Und Jérome Ferrari, Predigt auf den Untergang Roms. Secession Verlag für Literatur, ca. 20 Euro

Vor ein paar Jahren wurde immer wieder geklagt, Gott, Kirche oder überhaupt transzendente Themen kämen in der modernen Literatur nicht mehr vor. Wenn das jemals gestimmt haben sollte – es hat sich geändert. Neuester Beleg dafür sind zwei neue Bestseller, einer davon aus Frankreich, der andere aus Deutschland.

Für seine „Predigt auf den Untergang Roms“ hat der französische Philosoph Jérome Ferrari den renommierten „Prix Goncourt“-Literaturpreis erhalten. Schauplatz seines Romans – vom Umfang her eher eine Novelle – ist eine Dorfkneipe auf der Insel Korsika, deren Wirt gerne mal den heiligen Augustinus zitiert. So wie der Bischof von Hippo einst in seinem Buch vom „Gottesstaat“ den Niedergang des Römischen Reiches beklagte, so wird hier am Tresen über den Rückfall unserer heutigen Zivilisation in die Barbarei geschimpft. Der hohe Ton des Buches, der dem Augustinus oder gar biblischen Propheten abgelauscht scheint, und die zwischen einem Bier und dem nächsten aufgeworfenen, großen Fragen über Schöpfung, Vergehen und Verhängnis kontrastieren reizvoll mit dem abgenutzten Ambiente der Inselschenke. Die Franzosen haben es heraus, wie man große Fragen und kleine Erlebnisse effektvoll mischt: Hier ist ein neuer Voltaire geboren, ein Autor jedenfalls, der an den Voltaire der Klage über das Lissaboner Erdbeben von 1755 erinnert.

Ein weiterer Gewährsmann für die Rückkehr des Transzendenten in den zeitgenössischen Roman ist Daniel Kehlmanns neuer Roman „F“. Er schildert die Schicksale dreier Söhne eines bekannten Nihilisten, von denen einer katholischer Priester wird. Und zwar, ohne überhaupt an Gott zu glauben. Kehlmann allerdings lässt sich, ganz anders als Ferrari, gar nicht ein auf große Fragen oder hohen Ton; die Erzählung – getragen von drei Ich-Erzählern – soll alles aus sich selbst heraus leisten. Nun ist Martin, der dem guten Leben und der feierlichen Liturgie zugeneigte Priester, von seinem Habitus her keine tragische, an Bernanos erinnernde Figur; doch mit Martins Räsonnements oder mit der Wiederentdeckung des Glaubens, die bei seinem Bruder (dem Finanzhai) in der Wirtschaftskrise einsetzt, hat Kehlmann doch die Sinn- und die Gottesfrage auf unangestrengte Weise ins Heute gezogen. Zwei Romane – zwei ganz verschiedene Ansätze, um die großen Fragen in der Literatur von heute aufzuwerfen.

(rv 21.09.2013 stefan v. kempis)







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