Daniel Kehlmann,
F. Roman. Rowohlt Verlag, ca. 23 Euro. Und Jérome Ferrari, Predigt auf den Untergang
Roms. Secession Verlag für Literatur, ca. 20 Euro
Vor ein paar Jahren wurde
immer wieder geklagt, Gott, Kirche oder überhaupt transzendente Themen kämen in der
modernen Literatur nicht mehr vor. Wenn das jemals gestimmt haben sollte – es hat
sich geändert. Neuester Beleg dafür sind zwei neue Bestseller, einer davon aus Frankreich,
der andere aus Deutschland.
Für seine „Predigt auf den Untergang Roms“ hat
der französische Philosoph Jérome Ferrari den renommierten „Prix Goncourt“-Literaturpreis
erhalten. Schauplatz seines Romans – vom Umfang her eher eine Novelle – ist eine Dorfkneipe
auf der Insel Korsika, deren Wirt gerne mal den heiligen Augustinus zitiert. So wie
der Bischof von Hippo einst in seinem Buch vom „Gottesstaat“ den Niedergang des Römischen
Reiches beklagte, so wird hier am Tresen über den Rückfall unserer heutigen Zivilisation
in die Barbarei geschimpft. Der hohe Ton des Buches, der dem Augustinus oder gar biblischen
Propheten abgelauscht scheint, und die zwischen einem Bier und dem nächsten aufgeworfenen,
großen Fragen über Schöpfung, Vergehen und Verhängnis kontrastieren reizvoll mit dem
abgenutzten Ambiente der Inselschenke. Die Franzosen haben es heraus, wie man große
Fragen und kleine Erlebnisse effektvoll mischt: Hier ist ein neuer Voltaire geboren,
ein Autor jedenfalls, der an den Voltaire der Klage über das Lissaboner Erdbeben von
1755 erinnert.
Ein weiterer Gewährsmann für die Rückkehr des Transzendenten
in den zeitgenössischen Roman ist Daniel Kehlmanns neuer Roman „F“. Er schildert die
Schicksale dreier Söhne eines bekannten Nihilisten, von denen einer katholischer Priester
wird. Und zwar, ohne überhaupt an Gott zu glauben. Kehlmann allerdings lässt sich,
ganz anders als Ferrari, gar nicht ein auf große Fragen oder hohen Ton; die Erzählung
– getragen von drei Ich-Erzählern – soll alles aus sich selbst heraus leisten. Nun
ist Martin, der dem guten Leben und der feierlichen Liturgie zugeneigte Priester,
von seinem Habitus her keine tragische, an Bernanos erinnernde Figur; doch mit Martins
Räsonnements oder mit der Wiederentdeckung des Glaubens, die bei seinem Bruder (dem
Finanzhai) in der Wirtschaftskrise einsetzt, hat Kehlmann doch die Sinn- und die Gottesfrage
auf unangestrengte Weise ins Heute gezogen. Zwei Romane – zwei ganz verschiedene Ansätze,
um die großen Fragen in der Literatur von heute aufzuwerfen.