D: Leitlinien zum Umgang mit Missbrauch verschärft
Die Deutsche Bischofskonferenz
hat ihre Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch überarbeitet und teilweise
verschärft. Die Neufassung, die die Leitlinien von 2002 und von 2010 fortschreibt
und die Vorgaben der Glaubenskongregation von 2011 berücksichtigt, wurde am Montag
in Bonn veröffentlicht. Der Text berücksichtigt Bestimmungen sowohl des kirchlichen
wie auch des weltlichen Rechts beim Umgang mit Missbrauchstaten und betrifft Fälle
des Missbrauchs an minderjährigen wie erwachsenen Schutzbefohlenen.
Laut Neufassung
sollen Kleriker, die Schutzbefohlene missbraucht haben, nicht mehr in den Seelsorgedienst
zurückkehren dürfen, wenn „dieser Dienst eine Gefahr für Minderjährige oder erwachsene
Schutzbefohlene darstellt oder ein Ärgernis hervorruft“. Der Trierer Bischof Stephan
Ackermann, Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz, sagt dazu im Kölner
Domradio:
„Natürlich wird jemand, der Täter geworden ist, nicht mehr eingesetzt
im Bereich Kinder- und Jugendarbeit. Aber das heißt natürlich, dann auch nicht mehr
im allgemeinen Feld der Pastoral, etwa als Pfarrer, weil Kinder und Jugendliche zu
diesem Feld dazugehören.“
In der Überarbeitung der Leitlinien sei zusätzlich
das Kriterium des „Ärgernisses“ berücksichtigt worden, so Ackermann. Dabei geht es
um den Ansehensverlust bei einer Missbrauchsstraftat. Der Bischof führt aus:
„Da,
wo Ärgernis erregt wird durch den Einsatz eines Klerikers, der Täter geworden ist
- das heißt, da geht es nochmal um die Glaubwürdigkeit des Dienstes, um den Ansehensverlust.
Es kann ja jemand auch nur pastoral wirksam arbeiten, wenn er akzeptiert ist, angenommen
ist. Und da mussten wir in den letzten drei Jahren feststellen: Selbst wenn jemand
eine Strafe erhalten hat, sich seiner Verantwortung stellt, wenn auch nach dem Urteil
der Fachleute kein Risiko von jemandem ausgeht, kann es trotzdem dann das Problem
sein, dass er nicht angenommen wird, weil die Pfarreien sagen: Nein, wir akzeptieren
einen solchen straffällig gewordenen Priester nicht.“
Ein ausnahmsloses
Beschäftigungsverbot für sexual-straffällig gewordene Priester nach dem Beispiel der
US-Kirche lehnt die Bischofskonferenz ab; bei Versetzung straffällig gewordener Geistlicher
muss allerdings der neue Vorgesetzte über das Geschehene informiert werden.
Pflicht
zur Weiterleitung von Informationen an staatliche Behörden
Klarer formuliert
wird in der Neufassung der Leitlinien der Bereich der Zusammenarbeit mit den staatlichen
Behörden. In Paragraph 30 heißt es: „Die Pflicht zur Weiterleitung der Informationen
an die Strafverfolgungsbehörde entfällt nur ausnahmsweise, wenn dies dem ausdrücklichen
Willen des mutmaßlichen Opfers (bzw. dessen Eltern oder Personensorgeberechtigten)
entspricht und der Verzicht auf eine Mitteilung rechtlich zulässig ist. In jedem Fall
sind die Strafverfolgungsbehörden einzuschalten, wenn weitere Gefährdungen zu befürchten
sind oder weitere mutmaßliche Opfer eine Interesse an der strafrechtlichen Verfolgung
der Taten haben könnten.“
Erweitert werden auch die Mitteilungspflichten kirchlicher
Mitarbeiter, falls sie Hinweise auf sexuellen Missbrauch erhalten. So muss laut Richtlinien
einerseits das Beichtgeheimnis bewahrt bleiben. Sollte aber im Rahmen von seelsorglichen
Gesprächen bekanntwerden, dass Gefahr für Leib und Leben drohe oder dass weitere mutmaßliche
Opfer betroffen sein könnten, besteht künftig die Pflicht zur Weiterleitung der Informationen
an die beauftragten Ansprechpersonen.
Neu geregelt ist weiter, dass die vom
jeweiligen Bischof beauftragten Ansprechpersonen für Missbrauchsopfer keine Mitarbeiter
des jeweiligen Bistums im aktiven Dienst sein sollen. Das mutmaßliche Opfer soll zudem
künftig zu einer eigenen Anzeige bei den Strafverfolgungsbehörden „ermutigt“ werden.
Bislang hieß es, das Opfer solle über die Möglichkeit einer Anzeige „informiert“ werden.
Es geht auch um Missbrauch an erwachsenen Schutzbefohlenen
Grundsätzlich
machen die Leitlinien und die Rahmenordnung der Bischofskonferenz deutlich, dass sich
die Maßnahmen nicht nur auf sexualisierte Gewalt an Minderjährigen beziehen, sondern
auch auf Vergehen gegen „erwachsene Schutzbefohlene“, also etwa Menschen in Einrichtungen
der Behindertenhilfe, der Psychiatrie oder der Pflege. Dieser Bereich war bislang
wenig berücksichtigt worden. Diese Menschen seien ähnlich schutzbedürftig wie Kinder
und Minderjährige, so Ackermann im Domradio:
„Wir haben bewusst gesagt,
wir erweitern den Anwendungsbereich auch auf diese Gruppe hin. Die römischen Leitlinien,
die Normen, sehen ja vor, die Menschen, deren Vernunftgebrauch habituell eingeschränkt
ist, Kindern und Jugendlichen in dieser Frage gleichzustellen. Und wir haben gesagt,
das nehmen wir auf und erweitern deshalb auch den Anwendungsbereich.“
Hilfen
für Opfer
Bei den Hilfen für die Opfer ist in der Neufassung festgelegt,
dass Betroffene neben seelsorglichen und therapeutischen Hilfen auch finanzielle „Leistungen
in Anerkennung des Leids“ beantragen können.
Überarbeitet wurde auch die 2010
erlassene Rahmenordnung zur Prävention. Sie richtet sich an alle, die in Diözesen,
kirchlichen Institutionen und Verbänden in der Kinder- und Jugendarbeit tätig sind.
Neu ist hier unter anderem, dass Einrichtungen, in denen es Vorfälle gegeben hat,
zur Nachsorge und zu begleitenden Betreuungsmaßnahmen verpflichtet werden. Die von
katholischen Institutionen zu entwickelnden Schutzkonzepte müssen beispielsweise festlegen,
dass die Prävention gegen sexualisierte Gewalt im Vorstellungsgespräch, während der
Einarbeitungszeit und auch in weiterführenden Mitarbeitergesprächen thematisiert wird
und dass sie in der Aus- und Fortbildung Pflichtthema ist. Außerdem müssen ein Verhaltenskodex
entwickelt und Beschwerdewege beschrieben werden.
Die bisher gültigen Richtlinien
waren 2010 für eine Laufzeit von drei Jahren verabschiedet worden. Die jetzt veröffentlichte
Fassung soll nach fünf Jahren überprüft werden.