Konfliktforscher zu Syrien: „Mögliche Alternative findet bisher keinen Konsens“
Was würde ein Militärschlag
in Syrien aus Sicht der Konfliktforschung bringen? Keine Lösung der vertrackten Lage,
ganz im Gegenteil, zeigt sich der Münchner Konfliktforscher Stephan Stetter überzeugt.
So ein Eingreifen könne nur eine Reaktion auf den Giftgaseinsatz sein, den die Weltgemeinschaft
nicht hinnehmen könne, so Stetter im Interview mit dem Münchner Kirchenradio. Für
eine langfristige Lösung brauche es ein anderes Modell, so der Politologe, der an
der Bundeswehruniversität in Neubiberg internationale Politik und Konfliktforschung
lehrt:
„Meiner Meinung nach wäre die einzige Lösung dagegen eine viel
stärkere Intervention auch von außen. Ich rede hier nicht von einer militärischen
Intervention, sondern davon, dass eine Nachkriegsordnung unter dem Dach der Mithilfe
der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga etabliert werden müsste. Das bedeutet
aber auch, dass Syrien kein souveräner Staat wäre, sondern dass es erst einmal ein
Teilen von Souveränität geben würde, durch eine neue syrische Regierung, aber auch
durch eine starke, robuste und dauerhafte, internationale Präsenz in Form der Vereinten
Nationen und der Arabischen Liga, die auch – ähnlich wie in einigen Staaten des Balkans
– über gewisse Formen von Souveränität verfügen müssten. Ich sehe aber nicht,
dass es hierfür derzeit einen Konsens gibt, weder in Syrien, bei den syrischen Konfliktparteien,
noch international.“
Eine Eskalation der Situation in Syrien bei einem
militärischen Einschreiten der USA hält Stetter für möglich, auch wenn sich die beiden
Großmächte die Unterstützung westlicher Verbündeter und der arabischen Liga gesichert
hätten. Das britische Parlament hat derweil gegen eine Beteiligung des Landes an einem
möglichen Militärschlag in Syrien gestimmt. Der französische Präsident Francois Hollande
hingegen spricht sich für eine Beteiligung seines Landes bei einem Eingreifen der
USA aus. Wie sich die Lage im Nahen Osten weiter entwickle, hänge vor allem von der
Reaktion der Syrer ab, die mit dem Iran einen starken Verbündeten in der Region hätten,
so Stetter.
Der Konfliktforscher denkt bei seinem Vorschlag an eine Lösung
ähnlich wie in den 1990-iger Jahren auf dem Balkan. Damals wurde Bosnien Herzegowina
ein teilsouveräner Staat mit einer starken Präsenz und Verwaltung durch die Vereinten
Nationen. Im Fall von Syrien müsse auch die Arabische Liga stark in so einen Lösungsansatz
eingebunden werden, wird Stetter nicht müde zu betonen.
Rolle der
Religionen
Im Gegensatz zu anderen Konflikten im Nahen Osten spielt
in Syrien die Religion nur eine nachgeordnete Rolle. Das Assad-Regime hat einen säkularen
Staat gebildet. Historisch gesehen ist Syrien ein multireligiöses Land. Darum sieht
Stetter nur begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten für die katholische Kirche. Man könne
nur den Dialog zwischen den ethischen Gruppen fördern und ein stärkeres Internationales
Engagement zur Beendigung des Konflikts fordern, denkt der Experte.