2013-08-24 10:17:37

Die nuklearen Desaster Japans: Die Wunden sind immer noch offen


RealAudioMP3 Japan erhöht die Warnstufe in Fukushima: Wegen eines Lecks an einem der Wassertanks rief die Regierung des Landes einen „ernsthaften Zwischenfall“ aus. Nach dem Erdbeben im März 2011 und der folgenden Kernschmelze wird konstant Wasser in die Reaktoren gepumpt, das dann verseucht wieder heraustritt und in Wasserbehältern aufbewahrt wird. Einer dieser Behälter verliert nun offenbar viel Wasser. Fukushima ist aber nicht das einzige Atom-Thema, das Japan derzeit umtreibt. Der alte und neue Premierminister Shinzo Abe überlegt, den Artikel Neun der Verfassung zu ändern: Dieser Artikel verbietet dem Land, eine Armee zu unterhalten: „Das Recht des Staates auf Kriegsführung wird nicht anerkannt“.

Kardinal Peter Turkson, der Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden, war zu Beginn des Monats zu Besuch in Japan. Er gedachte dort mit der Kirche den Atombombenabwürfen, traf sich mit anderen Religionsgruppen und kam mit Eindrücken zu Frieden und Versöhnung zurück. Er war auf Einladung der katholischen Kirche zu den Gedenktagen zu Hiroshima und Nagasaki dorthin gereist.

„Ich denke, dass die Wunde immer noch offen ist, obwohl es die Sorge gibt, dass jetzt wo die letzten Opfer sterben, die Gesellschaft immer weniger sensibel wird, was die Auswirkungen der Bombardierung angeht. Japan erinnert sich sehr wohl, dass es das einzige Land ist, das jemals einen Atombombenabwurf erlitten hat. Die Narben kann man immer noch sehen und diese Narben kann man auch nicht einfach wegwünschen. Mit den Gedenkfeiern jedes Jahr werden die Geschichten neu erzählt und auch wieder durchlebt. Wo immer ich hinkomme berichte ich, dass Japan das einzige Land ist, das von Frieden spricht, ohne damit auf Abschreckung als Fundament zu setzen. Japan spricht nicht über Frieden, weil es Waffen hat, die es anderen Waffen entgegensetzen kann, sondern weil es keine Waffen hat, die das können. Japans Sprechen über Frieden ist also die ehrlichste Weise auf der Welt, das zu tun. Leider ist das im Augenblick unter so viel Druck.“

Nach den Erfahrungen des Krieges und den furchtbaren Erlebnissen der Atombomben von Hiroshima und Nagasaki wollte das Land den Pazifismus, das scheint die Regierung nun ändern zu wollen. Premier Abe scheint sogar über eigene Atomwaffen nachdenken zu wollen.

„Als zum Beispiel in Hiroshima das Gedenken veranstaltet wurde, gab es zwei Demonstrationen, zwei Protestgruppen im Hintergrund. Die eine war eine rechtsgerichtete Partei, die Japan zurück in seine militarisierte Macht führen will. Die anderen fürchteten, das Japan seine Lektion immer noch nicht gelernt habe, ihr Slogan war „Nein zum Atom“ und sogar auch „Nein zu Atomstrom“. Durch die jüngsten Lecks an den Reaktoren in Fukushima wird diese Position noch einmal stärker. Die Frage nach Nuklearenergie ist in Japan sehr lebendig, auch verbunden mit den Bombardierungen.“

Hier treffen sich zwei Erfahrungen, die Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung und den Frieden in der Geschichte eines Landes verbinden, berichtet Turkson. Noch immer gebe es Menschen, die bereit sind, der angeblich preiswerten Energieform Atomstrom wegen Risiken in Kauf zu nehmen, und das kollidiere mit der historischen Erfahrung.

„An einem Ort wie Japan zum zweiten Mal Opfer von Strahlung zu werden bringt starke Erinnerungen zurück. Japan ist eine Insel und deswegen sehr verwundbar, es ist sehr klein, kann aber große Teile des Pazifischen Ozeans mit dem auslaufenden Wasser verseuchen. Die ganze Welt muss jetzt solidarisch zu Japan stehen, wenn das Land eine Lösung für sein Atomproblem sucht, was ja auch das Problem von vielen anderen Ländern ist.“

„Wahrer Friede und wahres Glück kommen von Gott“: Eine der Botschaften, die Kardinal Turkson in seinen Predigten in Japan wiederholte. Religion kann ihre Rolle bei der Suche nach Lösungen spielen, wenn man sich zusammen tut.

„In Kyoto haben wir an einer Zeremonie an einem Shinto-Schrein teilgenommen, zu der viele Vertreter verschiedener Religionen zusammen kamen. Genauso in Hiroshima. Es gibt internationale Gruppen, die die Kraft der Religionen fördern wollen, gemeinsam den Frieden zu schaffen. Darüber hinaus pflegt Japan aber auch durch seine eigene lange Tradition die Werte Toleranz und gegenseitigen Respekt, die es den Religionen erlauben, zusammen für Frieden zu beten. Das haben wir in Hiroshima und in Nagasaki getan. Und das haben wir dort auch gefeiert: Man kann nicht den Frieden fördern, ohne diesen gegenseitigen Respekt zu pflegen und ohne Religionsfreiheit. Wir haben also als Religionsvertreter zwei der wichtigsten Zutaten für den Frieden gefeiert: Toleranz und gegenseitigen Respekt.“

Japan stehe unter Druck, von Korea und China in der eigenen Nachbarschaft, was auch militärische Auswirkungen habe, besonders was Nordkorea angehe. Gleichzeitig brauche die Wirtschaft Energie und das in einem Land, das kaum eigene Rohstoffe habe. Das habe zum Imperialismus der Vergangenheit geführt und zur Abhängigkeit vom Atomstrom heute. Friedliche Lösungen seien dringend notwendig, so Turkson, und hier komme die Religion ins Spiel: Anschließend an das Gedenken an die Opfer der Atombomben zeige sich, wie der Frieden in der Region gefördert werden könne und was für eine Rolle Religion spiele.

(rv 24.08.2013 ord)







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