Ein Junge, der nicht
spricht. Eine Mutter, die nicht spricht und deren Liebe erdrückt. Und ein Vater, der
seine Familie unerschütterlich zusammenhält. Um dieses Dreigestirn entspinnt sich
im Roman „Die Erfindung des Lebens“ von Hanns-Josef Ortheil die Geschichte einer deutschen
Familie der Nachkriegszeit. Es ist Ortheils eigene Geschichte, auch wenn er der Hauptfigur
des Romans einen anderen Namen gibt. Er erzählt von seiner Kindheit in Köln, von seiner
abrupt endenden Pianisten-Laufbahn, von seiner Liebe zur Wahlheimat Rom und vom Beginn
seiner Schriftstellertätigkeit. Schritt für Schritt lässt er den Leser in Rückblicken
an Erlebnissen seines Lebens teilhaben, die ihn wesentlich zu dem machten, was er
heute ist. Der Junge im Buch bricht irgendwann sein Schweigen und damit auch die Sprachlosigkeit
der Mutter, die von einem Trauma der Vergangenheit herrührt. Geburtshilfe leisten
ihm ein Klavier und die Tatkraft des Vaters, der seinen Sohn von einer rein innerlichen,
in sich abgeschlossenen Welt in die Welt „da draußen“ katapultiert. Neuer Schutzraum
sind ihm zunächst die Natur und das ländliche Leben: hier kommt er buchstäblich zu
Sinnen, vom reinen Beobachten zum Tun. Zweites, heilendes Umfeld für den jungen Mann
ist Rom, die Ewige Stadt, wo Ortheil als junger Mann am Konservatorium studierte und
wohin er Jahre später zurückkehrt, um seine Geschichte zu erzählen. - Eine Ichwerdung
und die Geschichte einer Berufung, behutsam und solide erzählt. Zum Mitschreiben:
Die Erfindung des Lebens von Hanns-Josef Ortheil, btb Verlag, etwa 12,00 Euro. (rv
24.08.2013 pr)